Bei der Telekom stehen die Zeichen auf Streik
Bis zuletzt hatten die Verhandlungspartner versucht, eine Einigung zu erzielen. Nach dem Scheitern der Gespräche steht die Telekom vor der größten Auseinandersetzung seit der Privatisierung 1995.
Bei einem Spaziergang durch die Weingärten des Ahrtals versuchten die Verhandlungsführer von Telekom und ver.di, Karl-Gerhard Eick und Lothar Schröder, auf den letzten Drücker eine Einigung zu erreichen. Der Versuch schlug fehl: ver.di lehnte am heutigen Donnerstag das Angebot der Telekom-Führung ab. Eine Lohnkürzung von neun Prozent für die 50.000 Beschäftigten, die in den Bereich T-Service ausgelagert werden sollen, sei nicht akzeptabel, sagt Schröder. Nun stehen die Zeichen auf Sturm. "Ein Streik ist definitiv nicht mehr abzuwenden."
Am Freitag kommender Woche soll die Große Tarifkommission von ver.di über die Durchführung einer Urabstimmung entscheiden, die einen konzernweiten Arbeitskampf nach sich ziehen könnte. "Ich bin mir sicher, dass wir die dazu nötige Mehrheit von 75 Prozent erreichen werden", sagte Schröder. Die Verärgerung der Belegschaft über den geplanten Umbau sei "sehr groß".
Der größte europäische Telekommunikationskonzern steuert damit auf die größte Auseinandersetzung seit der Privatisierung im Jahr 1995 zu. Personalvorstand Eick hatte bis zum Schluss auf eine Einigung gehofft. Die Bilanz der Telekom ist bereits durch die Kundenabwanderung im deutschen Festnetzgeschäft angekratzt. Der Protest könnte die Prognose für 2007 zum Wackeln bringen – auch wenn Eick dies zurückweist. Mit Zugeständnissen wie einem verlängerten Kündigungsschutz wollte der Manager die Gewerkschaft auf seine Seite ziehen. Bei Schröder stieß es damit auf Ablehnung: "Die Beschäftigten werden nicht für weniger Geld mehr Arbeiten."
Drei Tage verhandelten ver.di und Telekom im rheinland-pfälzischen Mayschoß. Auf den Fluren des verwinkelten Hotels Lochmühle pendelten die Delegationen von Treffen zu Treffen. Am letzten Tag verhärtete sich der Ausdruck in den Gesichtern der Beteiligten von Stunde zu Stunde. Vor dem finalen Gespräch mit ver.di wandelte Eick losgelöst von seinem Tross alleine vor dem Verhandlungsraum. Weitere Zugeständnisse konnte er offenbar nicht mehr machen. Vorstandschef René Obermann hatte am Vorabend die Losung ausgegeben: "Ein halbherziger Kompromiss mit ver.di bringt uns nicht weiter."
Die Telekom spürt den heißen Atem des Kapitalmarkts, zwei Gewinnwarnungen haben das Vertrauen erschüttert. Die Anleger verzweifeln angesichts der schwachen Aktienentwicklung. Hinter verschlossenen Türen werden bereits Zerschlagungspläne gehegt. Obermann kennt diese und schließt eine Übernahme des deutschen Vorzeigekonzerns nicht aus. "Ich halte es nicht für ausgeschlossen, Gegenstand von Übernahmeszenarien zu werden, wenn es uns nicht gelingt, in den nächsten Jahren die Unternehmensbewertung zu steigern." Dazu braucht er die Einsparungen, die mit T-Service erzielt werden sollen.
Die Rettung könnte nun eine neue, sechste Verhandlungsrunde bringen. Doch die ist nicht in Sicht. Ein neuer Termin sei nicht angesetzt, sagt Schröder. Mit dem Protest will er der Telekom weitere Zugeständnisse entlocken. Denn klar ist, nur gemeinsam können Management und ver.di die Telekom auf den Wachstumspfad zurückführen.
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(dpa) / (vbr)