3GSM: Kuwaitische MTC will zum globalen Mobilfunk-Konzern aufsteigen

Gemessen an der versorgten Fläche ist MTC nach eigener Einschätzung inzwischen der viertgrößte Mobilfunker der Welt. MTC will vor allem in Entwicklungsländer mit großen Wachstumschancen expandieren, ist am europäischen Markt jedoch desinteressiert.

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Von
  • Sven-Olaf Suhl

Eine Studie über die sozio-ökonomischen Auswirkungen von Mobilfunk im Nahen Osten und Nordafrika präsentierte der kuwaitische Mobilfunk-Konzern MTC auf der gestern zu Ende gegangenen 3GSM in Barcelona. CEO Saad Al-Barrak schilderte auch seine Pläne, MTC zu einem weltweit tätigen Mobilfunk-Anbieter in der Größenordnung einer T-Mobile oder Vodafone zu machen. Bloß für ein Engagement in Europa kann sich Al-Barrak nicht erwärmen.

Der bereits 1983 gegründete Netzbetreiber hat Anfang 2003 mit der Expansion begonnen und hat einen Netzbetreiber Jordanien gekauft sowie neue Netze im Irak und in Bahrain errichtet. Zusätzlich wird im Auftrag der libanesischen Regierung eines der beiden Netze des Landes gemanagt. Der große Coup gelang vergangenes Jahr mit der Übernahme der in 13 afrikanischen Staaten tätigen Celtel. Im Dezember wurde die madegassische Madacom zum Celtel-Portfolio hinzugefügt. Mit nunmehr über 15 Millionen Kunden in 19 Ländern wurde der selbstgesteckte Fahrplan deutlich übertroffen. Die 15-Millionen-Schwelle war erst für 2011 vorgesehen. Der nächste Einkauf soll schon im März in einem "riesigen", nicht genannten Land erfolgen. Zudem bewirbt sich Celtel um die dritte ägyptische Mobilfunklizenz.

"Wir sind die viertgrößte (Mobilfunk-)Firma der Welt, gemessen an der abgedeckten Fläche", sagte Al-Barrak. Doch nun braucht er Geld: "In den vergangenen 28 Monaten haben wir für rund 5,5 Milliarden US-Dollar eingekauft." Um weitere Akquisitionen finanzieren zu können, werden derzeit Angebote von Banken über ein Darlehen von fünf Milliarden US-Dollar (gut 4,2 Milliarden Euro) eingeholt. Wenn dieses in trockenen Tüchern ist, könnte ein zweiter Börsegang der MTC und/oder ein erster Börsengang (IPO) der Celtel in London und Dubai erfolgen. Celtel hatte vor der Übernahme durch MTC bereits selbst an einem Börsegang gearbeitet. Die Aktien könnten dann als Tausch-Währung für Übernahmen genutzt werden. Für die Tochtergesellschaft in Bahrain ist schon länger ein lokaler Börsegang geplant.

MTC will sich vor allem in Entwicklungsländern engagieren, wo es noch große Wachstumschancen gibt. "Europa ist kein attraktiver Markt", so Al-Barrak, der hohe Marktdurchdringung, viele Wettbewerber und wenig freie Frequenzen als Begründung anführte. Zunächst gelte es, zum führenden Netzbetreiber in Entwicklungsländern zu werden. Erst danach könnten die Globalisierung und der Eintritt in weniger attraktive Märkte folgen.

MTC hat bei den auf den Nahen Osten spezialisierten Marktforschern von ABQZawya eine Studie über die sozio-ökonomische Bedeutung von Mobilfunk in Auftrag gegeben, die zum kostenlosen Download bereitsteht. Nach einer Einführung in die arabischen Mobilfunkmärkte anhand von Daten und Fakten werden wirtschaftliche Effekte beleuchtet. Anschließend zeigen vier reale Beispiele soziale Auswirkungen. Ein eigenes Kapitel ist der Bedeutung von Mobilkommunikation im Irak gewidmet. Im abschließenden Kapitel beschreibt AC Nielsen den Einfluss von Mobilkommunikation auf Dörfer sowie kleine Unternehmen.

Demnach hat die schlechte Sicherheitslage im Irak zu einer extrem großen Nachfrage nach Handys und Netzabdeckung geführt, da sich die Menschen jederzeit über das Wohlergehen von Angehörigen informieren können möchten. Aber auch für Unternehmer sind die Netze sehr wertvoll. Zuvor hatte die Hälfte kleiner städtischer Firmen und praktisch alle kleinen Unternehmen am Land keinen Zugang zu Fernkommunikation. In Ägypten habe sich gezeigt, dass jeder in der Mobilfunkbranche entstandene Job acht weitere Arbeitsplätze schaffe. "Mobiltelefonie hat die Gesellschaften verändert", betonte Studienleiter Tarek El Zein, "Festnetze sind kaum vorhanden, Satellitenfernsehen oft verboten."

In Saudi Arabien würden bereits 49 Prozent der Familien ihren Töchtern die freie Nutzung eines Handys erlauben. Die Übertragung von SMS-Chats im Fernsehen ist ein gutes Geschäft – wie auch die internationale arabische TV-Show Star Academy, die eine Mischung aus Big Brother und einer Pop-Sternchen-Wahl darstellt. Doch das Zusammleben von fremden Männern und Frauen in einem Haus erregte mancherorts heftigen Protest. Nestle zog sofort die geschaltete Nescafé-Werbung zurück. Saudi Arabien verbot die Übermittlung der Abstimmungs-SMS, doch die Fans stiegen auf ausländische SMS-Webseiten um und verhalfen ihrem nationalen Idol zum Sieg. Nach einem gemischtgeschlechtlichen Auflauf in einem Einkaufszentrum in Riad wurde der neue Star jedoch von der Religionspolizei in seine Heimatstadt Jiddah verbannt. Sein Prominentenstatus bewahrte ihn vor einer Festnahme. In einer anderen internationalen Show soll der jordanische König dem nationalen Kandidaten zum Sieg verholfen haben, in dem er kurzerhand die Kosten aller SMS übernahm. Im zweiten Durchlauf soll dann der libysche Staatschef Oberst Muammar al-Gaddafi Anrufe finanziert und Millionen in eine Werbekampagne für den libyschen Kandidaten investiert haben. (Daniel AJ Sokolov)

Zum 3GSM World Congress 2006 siehe auch: