EU-Mitglieder wollen Binnenmarkt und Wettbewerb, aber keinen Superregulierer
Vertreter der EU-Mitgliedsstaaten machten während eines Treffens in Brüssel ihre Skepsis gegen dem "Telecom-Paket" der Medienkommissarin Viviane Reding deutlich,
Vertreter der EU-Mitgliedsstaaten haben während eines Treffens des Telekommunikationsrats der Union in Brüssel das Ziel der Medienkommissarin Viviane Reding befürwortet, Zugang und Wettbewerb auf dem Telekommunikationsmarkt zu verbessern. Allerdings brachten sie ihrer Idee einer neuen Regulierungsbehörde Skepsis bis hin zu einer kompletten Ablehnung entgegen. Reding hatte auf dem Treffen noch einmal für ihr "Telecom-Paket" geworben. Die Verringerung von 17 auf 7 sektorspezifisch regulierte Märkte bezeichnete sie als "größte Deregulierungsmaßnahme, die die Kommission jemals angegangen ist".
Reding führte ihre zwei Lieblingsbeispiele als Nachweis für einen dringenden Harmonisierungsbedarf an, der auch eine zentrale Behörde notwendig mache: die höchst unterschiedlichen mobilen Terminierungsraten und der aus ihrer Sicht unterentwickelte Markt europaweiter Netzdienstleistungen für Unternehmen. Diese könnten keinen EU-weiten Service für ihre Kommunikationsdienste bekommen, das schade letztlich der europäischen Wirtschaft. Mit der Einrichtung einer zentralen Regulierungsbehörde will Reding das Profil der nationalen Regulierer schärfen, erläuterte sie während der Konferenz der European Competitive Telecommunications Association (ECTA).
Das gilt aus Sicht der gerade zur "Kommissarin des Jahres" gewählten Luxemburgerin besonders auch für die künftige Vergabe von Frequenzen. In diesem Bereich sei es höchste Zeit, dass sich die Mitgliedsstaaten über einheitliche Lizenzierungen von Frequenzen verständigten, die durch den Übergang von analoger zu digitaler Übertragung frei werden. Reding kritisierte die Ergebnisse der kürzlich beendeten Wellenkonferenz der International Telecommunication Union (ITU). Die vorsichtige Öffnung in Richtung einer Flexibilisierung im Ultrakurzwellenband sei zu wenig und sie komme zu spät. Da die Mitgliedsstaaten dabei nach eigenem Ermessen voranschreiten könnten, werde die Fragmentierung der Frequenzen verlängert.
Bei der Frequenzvergabe zeigten sich die Vertreterinnen aus Finnland, den Niederlanden, Irland und Frankreich offen für eine Liberalisierung. Die finnische Vertreterin ist an der Nutzung von Funkfrequenzen für den breitbandigen Netzzugang in wenig besiedelten Gebieten interessiert. Allerdings sei es für Finnland auch sehr wichtig, selbst beeinflussen zu können, wie die knappen Ressourcen genutzt werden. Daher will Finnland von der Kommission genauer wissen, welche Bereiche für eine EU-weite harmonisierte Vergabe vorgesehen sind.
Die finnische Vertreterin kritisierte so wie fast alle Mitgliedsstaaten, dass ein Übermaß an Harmonisierung – und damit Regelung von Brüssel aus – regionale Entwicklungen möglicherweise sogar behindern könne. Der schwedische Vertreter wies auf die bisherige Erfahrung mit derartigen neuen EU-Behörden hin. Sie seien häufig kostenträchtig, umständlich und es dauere einige Jahre, bis solch eine Behörde reibungslos funktioniert. Die griechische Regierung fürchtet um die für Sicherheit zuständige Behörde ENISA in Kreta. Reding hatte eine Zusammenlegung der Behörde mit der neuen Telekommunikationsmarktaufsicht angeregt. Der britische Vertreter argumentierte, dass für die Marktaufsicht politische Unabhängigkeit notwendig sei, während die Sicherheit eine enge Kooperation der Mitgliedsstaaten fordere.
Die deutsche Position zu Redings Vorschlägen betrifft im Gegensatz zu vielen EU-Kollegen neben dem Regulierer auch alle anderen bislang kontrovers disktutierten Einzelvorschläge. Auch das geplante Vetorecht für die Kommission gegenüber Maßnahmen der nationalen Regulierer und die von einzelnen Mitgliedsstaaten begrüßte funktionelle Separation, also die Trennung von Netz und Diensteangebot innerhalb marktbeherrschender Unternehmen zur Herstellung eines fairen Wettbewerbs, lehnte der deutsche Vertreter erst einmal ab, er zeigte sich aber offen für Diskussionen. Reding befürchtet, dass lange Debatten dem Markt schlecht bekommen könnten. Das veranlasste den französischen Regierungsvertreter zu der Bemerkung, die frisch gekürte Kommissarin des Jahres 2007 werde wohl den Titel auch kommendes Jahr holen, wenn sie in diesem Tempo weitermache.
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(Monika Ermert) / (anw)