Fahrbericht Opel Vivaro-e Hydrogen: H2 als Alternative zum E-Antrieb

Wasserstoff war im Pkw bislang eine Nische, und wird es vermutlich auch bleiben. Opel unternimmt einen neuen Anlauf im Transporter Vivaro. Wie fährt sich der?

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Opel Vivaro-e Hydrogen

(Bild: Opel)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Martin Franz
Inhaltsverzeichnis

Eine mit Wasserstoff betriebene Brennstoffzelle erschien einigen Menschen schon mehrfach eine bedenkenswerte Alternative zum alleinigen batterieelektrischen Antrieb. Im Pkw blieb sie bislang eine Randerscheinung, denn das, was die meisten als "klassisches" Elektroauto verstehen, ist von der Quelle bis zum Rad einfach deutlich effizienter und günstiger. Den Strom in die Batterie zu laden und direkt zu nutzen verspricht weniger Verluste als die gesamte Kette, die bei Wasserstoff als Energieträger notwendig ist. Stellantis hat sich dennoch vorgenommen, im Transporter Opel Vivaro eine Alternative zum E-Antrieb anzubieten. Der stand uns für eine erste Ausfahrt zur Verfügung.

Die Ziele, die sich Stellantis mit dem Vivaro-e Hydrogen gesetzt hat, sind durchaus ambitioniert: In Rüsselsheim wird eine erste Produktionslinie hochgezogen, bei der 1000 Fahrzeuge pro Jahr vom Band laufen sollen. Ab 2024 sehen die Strategen die Chance, jährlich 10.000 Exemplare abzusetzen. Stellantis hat hier also nicht die Befriedigung einer kleinen Randgruppe im Sinn, sondern will über Stückzahlen auch mit diesem Modell Gewinn machen.

Kombiniert werden gewissermaßen zwei Energiequellen: In der Brennstoffzelle wird aus Wasserstoff Strom gewonnen, der eine Batterie mit 10,5 kWh Energiegehalt lädt. Aus diesem Speicher, der sich auch extern aufladen lässt, bedient sich der E-Motor. Der Elektroantrieb selbst ist aus diversen Konzernmodellen hinlänglich bekannt: Er leistet 100 kW und bietet 260 Nm. Die lassen sie nur dann komplett abrufen, wenn die Batterie ausreichend geladen ist. Denn hohe Dauerleistungen sind nicht vorgesehen, die Brennstoffzelle liefert ihrerseits 45 kW. Das reicht für die maximal möglichen 110 km/h.

Unterwegs stellt die geringe Dauerleistung kein Problem dar: Lastspitzen werden durch die vergleichsweise groß dimensionierte Batterie und den 100-kW-Elektromotor zuverlässig abgefangen. Der Vivaro-e Hydrogen fährt sich wie ein Transporter mit alleinigem E-Antrieb. Er setzt sich leise und nachdrücklich in Bewegung. Die Kraftreserven erscheinen so reichlich, dass der Vivaro auch beladen zügig von der Stelle kommen wird. Das Gebrumme der in diesem Segment üblichen Dieselmotoren fehlt vermutlich kaum jemandem.

Die Wasserstoff-Zukunft

Opels Plan, ab 2024 jedes Jahr rund 10.000 Vivaro-e Hydrogen zu verkaufen, erscheint dennoch geradezu kühn. Auf Faktor zwei beziffert Opel aktuell den Preis eines Brennstoffzellen-Vivaros gegenüber der batterieelektrischen Variante. "Zielgröße ist, den Preis auf das Niveau der BEV-Version zu drücken", sagt Lars Peter Thiesen, Leiter Einführungsstrategie Wasserstoff und Brennstoffzelle bei Stellantis. Wann man dies erreicht, ist nicht abzusehen. Dazu gibt es noch zu viele Unwägbarkeiten, wie Kundennachfrage, schwierig zu kalkulierende Teil- und Produktionskosten.

Vor allem aber fehlt die Infrastruktur. Ein flächendeckendes Netz an H2-Tankstellen wäre enorm kostspielig und ist auch deshalb nicht einmal ansatzweise in Sicht. Wobei Deutschland in dieser Hinsicht mit aktuell 95 Zapfstationen sogar noch gut dasteht. Ein Blick auf eine Karte mit der Tankstellendichte in Europa zeigt, dass dies eine absolute Ausnahme ist. In Frankreich gibt es derzeit vier Stationen im Großraum Paris, zwei weitere sind im Süden des Landes geplant. In Österreich sind es aktuell fünf H2-Tankstellen. Mit einem raschen, flächendeckenden Ausbau ist nicht zu rechnen, denn die Hoffnung, die beträchtlichen Investitionen bald wieder einspielen zu können, haben derzeit nicht einmal die kühnsten Optimisten.

Opel Vivaro-e Hydrogen (8 Bilder)

Opel pflanzt in den Vivaro eine Brennstoffzelle, die mit Wasserstoff betrieben wird. Alternativ dazu ist die Traktionsbatterie in diesem Strang so großzügig ausgelegt, dass auch eine batterieelektrische Fahrt möglich ist.

Doch selbst wer den zu erwartenden Preis des Vivaro-e Hydrogen akzeptiert und in seinem üblichen Alltagsradius eine der raren H2-Tankstellen hat, wird angesichts der Betriebskosten ins Grübeln kommen. Ein Kilogramm Wasserstoff kostet deutschlandweit derzeit 12,85 Euro. Der Vivaro-e Hydrogen wird im Alltag davon mindestens 1,5 Kilogramm auf 100 km benötigen – wir reden hier schließlich nicht über einen strömungsgünstigen Toyota Mirai, sondern über einen Transporter. Das heißt, der Eigner muss mit wenigstens 20 Euro Energiekosten pro 100 km rechnen.

Um das einmal zu übersetzen: Diese Kosten unterbietet ein Vivaro mit Dieselmotor auch mit den aktuellen Kraftstoffpreisen locker. Dazu kann er gewissermaßen an jeder Ecke aufgetankt werden, fährt weiter und schneller und kostet als Neuwagen nur ein Bruchteil dessen, was für den Transporter mit Brennstoffzelle zu zahlen sein wird. Einen Kostenvorteil wird der Fahrer eines H2-Vivaro also nicht erwarten dürfen.

Opel wirbt tapfer damit, dass der Vivaro-e Hydrogen mit Wasserstoff im WLTP rund 400 km schafft. Wer die kleine Batterie extern lädt, kann weitere 50 km (ebenfalls WLTP) hinzurechnen, womit die meisten Reichweiten-Bedürfnisse vermutlich gedeckt sind. Falls nicht: Die drei Wasserstofftanks im Unterboden sind im Idealfall in drei Minuten gefüllt. Die Batterie lässt sich an einer AC-Ladestation in rund 90 Minuten komplett aufladen. Serienmäßig ist ein dreiphasiges Ladegerät mit 11 kW.

Mit der Brennstoffzelle steht für den Vivaro-e Hydrogen eine Alternative zu den bekannten Antrieben bereit. Die Umgangsformen sind fraglos sehr angenehm, doch das spielt in diesem Segment eine untergeordnete Rolle. Aktuell muss der H2-Nutzer derart viele Kröten schlucken, dass es kaum wahrscheinlich ist, dass sich viele für diesen Weg entscheiden. Denn der Vivaro-e Hydrogen wird nicht billig, weder im Unterhalt noch beim Kauf. Mit Wasserstoff betanken lässt er sich deutschlandweit nur an einer Handvoll Stationen, europaweit sieht es diesbezüglich nochmals deutlich finsterer aus. Dass Opel diese Alternative dennoch in die Serie hebt, zeugt von gehörigem Mut. Stellantis wird die Vivaro-Alternativen von Peugeot und Citroën ebenfalls mit diesem Antrieb ausstatten und so den Versuch unternehmen, die Kosten zu verteilen.

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