Ford Focus Hybrid im Test: Antrieb bleibt zurück

Ford hat den aktuellen Focus ein letztes Mal überarbeitet. Das Update bringt modernes Infotainment, aber keinen Fortschritt beim Antrieb.

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Ford Focus

(Bild: Pillau)

Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Martin Franz
Inhaltsverzeichnis

Ford war vergleichsweise früh dran. Ab 2013 gab es einen batterieelektrischen Focus zu kaufen. Doch die Kunden wollten ihn nicht – die Kombination aus geringer Reichweite und hohem Preis waren kaum vermittelbar, 2017 flog er aus dem Sortiment. Als die Verkaufszahlen von Elektroautos, staatlich unterstützt, stiegen, hatte Ford außer dem teuren Mustang Mach-E nichts mehr anzubieten. Das wird auch noch eine gewisse Zeit so bleiben. Der kürzlich überarbeitete Focus untermauert in unserem Test unterdessen, wie sehr diese Lücke schmerzt.

Dabei erledigt der Dreizylinder mit Mildhybrid-Zusatz seine Aufgabe für sich betrachtet gar nicht schlecht. 92 kW mögen angesichts der Zahlen, mit denen vielfach geworben wird, nicht üppig erscheinen, doch die Fahrleistungen sind vollkommen ausreichend. Ohnehin wird heute diesbezüglich oftmals auf einem sehr hohen Niveau geklagt. Nüchtern betrachtet gibt es in diesem Focus dafür keinen Grund. Dass man in dieser Leistungsklasse keinen Renner erwirbt, dürfte den meisten Käufern bewusst sein.

Die Reserven sind andererseits so üppig, dass der Fahrer sie im normalen Alltag nur selten komplett ausschöpfen wird, wenngleich die 170 Nm des Dreizylinders eher unterdurchschnittlich sind. Der Startergenerator packt in der Spitze weitere 40 Nm dazu. Wer flott beschleunigen will, muss mindestens mittlere Drehzahlen aufsuchen. Oberhalb 5000/min erlahmt allerdings das Temperament spürbar.

An anderer Stelle wird jedoch deutlich, dass die Zeit nicht stehengeblieben ist. Der Dreizylinder hat bei seiner Premiere einige Preise gewonnen, unter seinesgleichen mag er noch immer mithalten. Noch vor ein paar Jahren wäre der Antriebskomfort guter Durchschnitt gewesen. Inzwischen aber ist Ford damit nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Damit ist ausdrücklich nicht das Temperament gemeint. Auch in Zeiten inflationärer Leistungsangaben, getrieben von E-Autos, lässt sich mit den 92 kW des Focus gut leben.

Ansprechverhalten und Laufkultur verdeutlichen jedoch, warum der Verbrenner nicht mehr konkurrenzfähig ist. Mit einem E-Motor kann der Benziner nicht mithalten, wie sollte er auch. Im Vergleich mit einer E-Maschine reagiert er zögerlich auf Beschleunigungswünsche, im Testwagen nervte zusätzlich noch auf den ersten Zentimetern des Pedalwegs ein sehr gewöhnungsbedürftiges Ansprechverhalten. Erst zieht das Auto nicht, dann macht es einen Satz. Es braucht ein wenig, um das beim Anfahren einzukalkulieren.

Der Hybrid-Aufsatz besteht aus einem riemengetriebenen 48-Volt-Startergenerator und einer kleinen Batterie. Die hat 8 Ah, der Energiegehalt liegt also bei 384 Wh (0,38 kWh). In der Spitze kann der E-Motor 11,5 kW und 40 Nm beisteuern, um den Verbrennungsmotor temporär zu entlasten.

Im Leistungsdiagramm des Focus 1.0 Hybrid unterschlägt Ford den E-Motor. Der liefert im "Overboost-Modus" bei 1750/min bis zu 40 Nm dazu, sonst sind es 30 Nm. Der Leistungszuwachs liegt bei maximal 11,5 kW.

(Bild: Ford)

Bei der Laufkultur kann die Maschine nicht nur gegen einen E-Motor nicht bestehen. Der Dreizylinder ist auch im Vergleich zu anderen Verbrennern akustisch etwas vorlaut. Im Golf 1.0 eTSI (Test) ist deutlich weniger zu hören, der neue Opel Astra ist ebenfalls ein gutes Stück leiser. Positiv fällt im Focus die geschickte Getriebesteuerung auf, die Anschlüsse passen ziemlich exakt, die Übersetzungen auch. Eingebaut wird ein Doppelkupplungsgetriebe mit sieben Gängen. Der Verbrauch liegt je nach Fahrweise über Land minimal bei etwa 4,9 Litern, auf der Autobahn bei Richtgeschwindigkeit sind es eher rund 6 Liter. Ford nennt im WLTP 5,4 bis 6,6 Liter – das ließ sich im Test relativ problemlos nachvollziehen, zum Teil auch unterbieten.

Ford hat seit vielen Jahren einen guten Ruf, was die Abstimmung von Dämpfern und Federn betrifft. Der Testwagen in der Ausstattungslinie "ST-Line" bekommt ab Werk ein "sportlich abgestimmtes" Fahrwerk. Was damit gemeint ist, wird schon nach wenigen Metern deutlich, obwohl "unser" Focus mit einer heutzutage fast pummelig erscheinenden Flankenhöhe antrat: 205/60 R16. Ford wendet sich dabei ganz unzweifelhaft an jene Zielgruppe, die präzise über den Straßenzustand informiert werden möchte. Das tat der Testwagen ausführlich. Mit der Serien-Bereifung – 215/50 R17 – dürfte eine weitere Verhärtung spürbar sein.

Ford Focus Hybrid (6 Bilder)

Der vierte Focus ist seit 2018 auf dem Markt, 2022 wurde er leicht überarbeitet.
(Bild: Florian Pillau)

Ford kennt seine Kundschaft natürlich besser als ich, doch mir erscheint das für einen Alltags-Kompakten mit 92 kW etwas zu ambitioniert. Der Versuch, das Auto dynamisch wirken zu lassen, wurde hier mit sehr breitem Stift gezeichnet. Solange die Straße in ordentlichem Zustand ist, lässt sich der Focus im Verbund mit der direkten, angenehmen Lenkung ganz wunderbar um die Kurve pfeffern. Wird der Untergrund schlechter, wünscht man sich schnell ein etwas höheres Schluckvermögen der Dämpfer. Allerdings ist in die Abstimmung in sich durchaus stimmig: Unebenheiten werden nicht einfach trocken durchgereicht, sondern gefiltert vermeldet. Die Frage, ob das in diesem Umfang nötig ist, ist sicher auch eine des persönlichen Geschmacks.

Mein Kollege Florian unterstellte den Dämpfern zu hohe Losbrechkräfte, denn wenn die Anregung nur groß genug sei, empfand er das Schluckvermögen durchaus als ausreichend. Kleine Unebenheiten werden also eher spürbar als große. Es mag sein, dass mich hier die Erinnerung trügt, doch in meinem 2013er-Focus erschien mir das insgesamt geschickter gelöst.

Im Kontrast zum straffen Fahrwerk stehen die weichen Sitze, die sich für Menschen mit sehr langen Beinen nicht ausreichend weit nach hinten rücken lassen. Das Platzangebot ist im Rahmen dessen, was in dieser Klasse üblich ist. Positiv fällt auf, wie einfach die Isofix-Haken zur Befestigung von Kindersitzen zu erreichen sind. Keine Selbstverständlichkeit, wie Stellantis hartnäckig beweist. Ebenfalls gefallen kann die Qualität der Inneneinrichtung, denn der Focus wirkt nicht so frugal wie etwa ein VW ID.3.

Einen neuen Geschwindigkeitsrekord stellte das Infotainmentsystem bei der Verbindung zu meinem Handy auf. In keinem Testwagen war das so schnell erledigt wie im Focus. Die Unterhaltungselektronik protzt weder mit Funktionsvielfalt noch mit einer besonders hübschen Aufmachung, doch es ist alles da, was man braucht. Handys lassen sich induktiv laden, Android und iOS werden kabellos eingebunden. Das Arbeitstempo ist befriedigend, die Sprachsteuerung brauchbar. Außerdem reicht Ford das System ohne weiteren Aufpreis. Gegenüber dem Focus vor der Modellpflege ist die Umstellung auf das Infotainmentsystem "Sync4" zweifelsohne ein riesiger Schritt in die richtige Richtung.

Ford Focus Hybrid (8 Bilder)

Auch im Innenraum ist der Focus konservativ eingerichtet. Im Alltag bringt das eine weitgehend barrierefreie Bedienung mit sich.
(Bild: Florian Pillau)

Etwas ambitioniert in Richtung E-Mobilität ist der Wegweiser. Er hat erkannt, dass der Energievorrat zum Erreichen des Ziels nicht genügt und schlägt vor, Tankstellen in die Routenführung zu integrieren – an sich eine charmante Idee. Allerdings werden ausschließlich und offenbar auch alternativlos Ladesäulen für Elektroautos vorgeschlagen, was einem im Focus Hybrid nicht recht weiterhilft. Falls es doch einen Weg geben sollte, hat Ford ihn sorgfältig versteckt: Weder in den Einstellungen noch über Filter lässt sich der Unfug abstellen.

Fast aufgegeben hätte ich die Suche nach dem Head-up-Display, doch die Ausstattungsliste des Testwagens führte es ausdrücklich mit auf. Eine Bedienungsanleitung gibt es nur noch in digitaler Form, nachdem man sich bei Ford registriert hat. Dort wurde natürlich beschrieben, wie sich die kleine Scheibe erhebt. Leider gab es die in der Anleitung genannten Knöpfe im Testwagen nicht. In den Tiefen des Menüs im Kombiinstrument fand sich schließlich doch noch einen entsprechenden Haken. Florian merkte an: "Warum kein HUD, dessen Sichtwinkel man ohne Anleitung einstellen kann, so wie man ja auch die Sitzeinstellung intuitiv findet. Beides muss fast immer aufeinander abgestimmt werden, gehört gewissermaßen zusammen. Denkbar sind ja mehrere Fahrer, die den Wagen nur gelegentlich nutzen."

Rätselhaft blieb mir die Automatik der Handbremse. Im Stau reichte es, im Stand kurz das Bremspedal zu treten, um die Feststellbremse zu betätigen. Geht es weiter, löst sie sich automatisch – genau so sollte es sein. Warum sie aber nicht beim Abstellen des Autos aktiv wird, ließ sich nicht klären, auch nicht mit der Anleitung in der Hand.

Ford Focus Hybrid Innenraum (5 Bilder)

Die Sitze sind etwas weicher, als man es aus vielen anderen Autos kennt. Der Verstellbereich nach hinten ist ein wenig knapp.
(Bild: Florian Pillau)

Ford hat das Focus-Sortiment kräftig ausgedünnt. Schlicht ausgestattete Versionen flogen aus dem Programm, geblieben sind die teuren. Für einen Focus Hybrid mit Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe sind derzeit mindestens 32.800 Euro fällig, der sehr gut ausgestattete Testwagen kam auf knapp 40.000 Euro. Sehr viel teurer kann er mit dieser Maschine nicht mehr werden. Die direkte Konkurrenz: Vergleichbare Modelle etwa von Toyota, Opel und Renault liegen mit ihren Tarifen darunter, VW mit dem Golf etwas darüber.

Der Focus kann für sich betrachtet durchaus überzeugen: Er ist ordentlich verarbeitet, das straffe Fahrwerk wird seine Fans haben, das neue Infotainment arbeitet flott und der ausreichend kräftige Dreizylinder lässt sich locker mit den Werten betrieben, die Ford im WLTP nennt – und darunter. Bei Ansprechverhalten und Laufkultur fällt er zwangsläufig gegenüber Konkurrenten wie den Cupra Born (Test) zurück. Hier wird schmerzlich klar, was Ford derzeit fehlt: Ein Elektroauto, das sich viele leisten können. Wenn alles klappt, wird sich das in rund einem Jahr ändern. Denn auch bei Ford ist absehbar, dass der Verbrenner in den Ruhestand geht.

Die Kosten für die Überführung hat Ford übernommen, jene für Kraftstoff die Redaktion.