Hoch automatisiert: Ausfahrt in der teilautonomen Mercedes S-Klasse mit PHEV
Einst war der Anspruch, mit der S-Klasse das beste Auto der Welt zu bauen. Die Neue bietet autonomes Fahren auf Level 3 und Plug-in-Hybrid mit groĂźer Batterie.
- Clemens Gleich
Nachdem in den vergangenen Jahren auch einmal andere Modelle als Speerspitze neue Mercedes-Technik zeigten, ist jetzt wieder ganz traditionell die S-Klasse dran. Das Modell für 2021 zeigt, was in den nächsten Jahren hinunterdiffundiert in andere Baureihen. Der Headliner der Technik war "autonomes Fahren nach SAE-Level 3". Diese optionale Technik wird in Deutschland gerade zugelassen und daher erst gegen Herbst 2021 verfügbar werden. Andere Märkte folgen entsprechend später. Daimler präsentierte das System daher auf dem firmeneigenen Testgelände bei Immendingen.
Next Level
Wie wir zur Vorstellung der Technik schon schrieben, fährt die S-Klasse nur bis 60 km/h und nur im dichten Verkehr von selber. Der Fahrer darf sich anderweitig beschäftigen, muss aber innerhalb von 10 Sekunden übernehmen können. Er darf also nicht schlafen oder den Fahrersitz verlassen. Diese Zustände überwacht die Innenraumkamera. Die ausführlichen Bedingungen des Systems können Sie hier in der Vorstellung nachlesen. Wir wollen uns an dieser Stelle auf die Praxiseindrücke konzentrieren. Die Presse durfte das System vom Beifahrersitz aus beobachten, nicht selber daran herumspielen.
Staupilot Level 3 (11 Bilder)
(Bild: Daimler)
Das Dashboard zeigt eine für Level 3 freigegebene Strecke in einer entsprechenden Stausituation an. Der Fahrer kann dann Übergabe-Knöpfe in der oberen Lenkradhälfte drücken. Ab dann fährt die Automatik durch den Stau. Der Fahrer kann aufs Smartphone gucken oder den Bildschirm der Mittelkonsole nutzen, zum Beispiel zum Videos anschauen.
Sicherheit vor Komfort
Das Testfahrzeug folgt dem simulierten Stau, tut das aber etwas schroffer, als man es von der S-Klasse gewohnt ist, die auf "Komfort" den bisherigen Staupilot und den Abstandstempomaten sehr vorausschauend weich ansteuert. An diesen Kanten arbeitet Mercedes noch. Sie existieren, weil Sicherheit vor Komfort geht. Der Wagen hält die definierten Sicherheitsbereiche unbedingt ein, was zu gelegentlich härteren Bremsungen führt, als es in Serie wahrscheinlich sein wird.
Automated Valet Parking (6 Bilder)
(Bild: Daimler)
Besonders schön: Das Auto bildet bei niedrigen Tempi automatisch zuverlässig eine Rettungsgasse. Es erkennt auch heranrauschende Einsatzfahrzeuge. In so einer Situation übergibt die Logik an den Fahrer, damit er in Kommunikation mit dem Einsatzfahrzeugpersonal Dinge über die Rettungsgassenbildung hinaus tun kann, also etwa rangieren oder dichter an Begrenzungen fahren. Andere Störungen im Stau wie abrupte Spurwechsel Anderer oder das Umfahren eines liegen gebliebenen Autos meisterte der Drive Pilot in der künstlichen Testumgebung problemlos.
Parken auf der nächsten Ebene
Zusätzlich zum automatischen Stauassistenten gibt es Neues in Sachen automatisiertes Parkhaus. Bosch hat das "Automated Valet Parking" überarbeitet. Um die Kosten zu senken, verwendet man nun Kameras statt Lidar-Sensoren, die den Fahrschlauch abtasten. Weiterhin steuert das Parkhaus das Auto fern. Die Haftung geht dabei auf den Parkhaus-Betreiber über. Die Assistenzsysteme des Fahrzeugs sind zwar aktiv, greifen aber nicht ein, um Konflikte zu vermeiden.
Nach dem Pilotprojekt im Mercedes-Museum Stuttgart gibt es nun einen Probebetrieb des aktuellen Kamera-Systems in einem Parkhaus des Flughafens Stuttgart. Der Parkpilot wird zu Anfang ohne weitere Kosten Bestandteil des Park-Paketes sein. Mercedes will so Anreize für Parkhausbetreiber schaffen: ohne fernsteuerbare Autos kein Geschäftsmodell.
Alles assistiert
Eine weitere Neuerung kann jeder bereits nutzen: Das Parkplatz-Scan-System erkennt sowohl Längs- als auch Quer-Parklücken und parkt auf Knopfdruck ohne weiteres Fahrer-Zutun dort ein. Der Benutzer kann sich bei Querparkplätzen sogar aussuchen, ob das Fahrzeug vorwärts oder rückwärts eingeparkt werden soll. Das hilft bei Parkplätzen mit entprechenden Vorgaben oder einfach zum bequemeren Aussteigen. Der Parkassistent parkt auch wieder in einer wählbaren Fahrtrichtung aus. Selbstverständlich überwachen Sensoren den Parkplatz ständig. In der Demo schnappte sich zum Beispiel ein Dummy-Kind auf einem Bobbycar den Parkplatz. Dann bleibt der Parkassistent stehen und übergibt zum Fahrer.
Parkassistenten (8 Bilder)
(Bild: Daimler)
Die erweiterte 360°-Kamera erleichtert auch Selberparkern das Leben. Ein Sicherheitsrahmen um das Auto knautscht auf dem Display ein, wenn seine Distanzen unterschritten werden und aktiviert den Parkpiepser. Der Chipsatz berechnet aus den Kameradaten eine Pseudo-3D-Ansicht, die frei gekippt, gedreht und gezoomt werden kann für eine bestmögliche Sicht. Zu guter Letzt hat Mercedes auch das ferngesteuerte Parken per Smartphone erleichtert: In der ersten Version musste der Besitzer eine Kreisbewegung ausführen, solange das Auto rangiert. Jetzt reicht es, das Smartphone orthogonal zum Boden zu kippen und einen Button gedrückt zu halten.