Nationale Wasserstoffstrategie: Wie funktionieren Wasserstoffautos?

Seite 3: Weniger Komponenten

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Batterie- und Wasserstoff-betriebene Elektroautos verfügen insgesamt über deutlich weniger Komponenten als konventionelle Fahrzeuge. Ein Getriebe mit fünf oder mehr Gängen sowie Kupplung werden nicht benötigt. An die Stelle des Endrohrs beim Verbrenner tritt bei Brennstoffzellenfahrzeugen ein sauberes Abluftrohr, aus dem nur Wasserdampf entweicht. Selbst die leistungsmindernde Lichtmaschine ist überflüssig.

Lärmende, vibrierende Verbrennungsmotoren werden ersetzt durch Brennstoffzellen und Elektromotoren. Beides sind kompakte Aggregate, die gänzlich ohne Ölsumpfschmierung auskommen und nur über sehr wenig bewegte Teile verfügen. Die Kühlung muss zwar deutlich größer dimensioniert werden, und neue Elemente der Leistungs- und Regelungselektronik kommen hinzu. Grundsätzlich ermöglicht es die Technik aber, auf sauberem Weg dem Wasserstoff die in ihm gespeicherte Energie zu entlocken.

Neu ist die Brennstoffzellentechnik im Übrigen nicht: Sie wurde bereits 1839 von Sir William Grove erfunden, wird aber erst seit Ende der 1990er-Jahre verstärkt erforscht und weiterentwickelt. Fast alle Automobilhersteller haben sich inzwischen an dieser Technik versucht, fast alle haben also wie auch immer geartete Erfahrungen damit gesammelt.

Als zweite Option für Wasserstoff gibt es die Möglichkeit, das Gas in konventionellen Motoren zu verbrennen. Die Umwandlung von Wasserstoff in Verbrennungskraftmaschinen erfolgt ähnlich wie bei Benzin- oder Dieselmotoren. Mehrere Hersteller haben über die Jahre hinweg am Einsatz von Wasserstoff im Hubkolbenmotor gearbeitet wie BMW, Ford und MAN. Mazda versuchte sich auch an der Kreiskolbentechnik (Wankelmotor). Im Pkw-Bereich werden aber beiden Varianten nicht sonderlich viele Chancen zugesprochen.

Im Nutzfahrzeugsektor sieht es hingegen ganz anders aus. Hier erlebt der H2-Verbrennungsmotor gewissermaßen einen neuen Frühling. Große Konzerne planen noch in diesem Jahrzehnt mit nennenswerten Stückzahlen, die möglicherweise dem flüssigen Wasserstoff (LH2: liquefied hydrogen) eine Renaissance bescheren könnten.

Ein maßgeblicher Unterschied zwischen Brennstoffzelle und H2-Motor ist der Kraftstoffverbrauch: Während der wasserstoffbetriebene Verbrennungsmotor thermodynamisch bedingt einen begrenzten Wirkungsgrad aufweist, verfügt die Brennstoffzelle mit etwa 50 Prozent über eine höhere Effizienz.

Egal, welcher Energiewandler genutzt wird, die Brennstoffzelle oder der H2-Verbrennungsmotor: der für die Verbrennung erforderliche Sauerstoff kann einfach der Luft entnommen werden. Der Kraftstoff, der Wasserstoff, muss hingegen getankt und mitgeführt werden. Über die Jahre hat sich für den Pkw-Sektor die Speicherung von gasförmigem Wasserstoff bei 700 bar durchgesetzt. Während sich Erdgasfahrzeuge mit 200 bar begnügen, entschieden sich die Entwickler bei H2-Gas für einen solch hohen Druck, um eine akzeptable Reichweite gewährleisten zu können. Erst dieses hohe Druckniveau sowie die optimierte Anordnung (Packaging) mehrerer Druckbehälter in der Bodeneinheit eines Fahrzeugs gewährleisten heute Fahrstrecken vonteilweise mehr als 500 km.

Für Brennstoffzellenbusse gilt 350 bar derzeit als Richtwert. Da Nutzfahrzeuge mehr Platz bieten, muss die Energiedichte des Speichers nicht ganz so hoch sein. So können mehrere große Druckgasflaschen problemlos auf dem Dach der Busse eingebaut werden – ähnlich wie bei Schienenfahrzeugen.

Vor 25 Jahren wurden auch andere Energiespeicher in Erwägung gezogen. So wurden in den 1990er-Jahre sowohl Methanol als auch Metallhydride als H2-Speicher in Demonstrationsfahrzeugen getestet. Da jedoch Metallhydride für den Straßenverkehr zu schwer sind, werden sie heute nur noch in U-Booten eingesetzt. Von Methanol hatten sich die Automobilhersteller eigentlich schon Anfang dieses Jahrhunderts verabschiedet, weil für die Nutzung im Auto ein Reformer erforderlich ist, der die Kosten und auch den Platzbedarf in die Höhe treibt. 2020 präsentierte aber der Ingolstädter Ingenieur Roland Gumpert, der bereits für Audi und VW tätig war, einen methanolbetriebenen Brennstoffzellen-Kleinwagen namens "Nathalie", der seinen Ausführungen zufolge bezahlbar sei. Wirkliche Chancen werden dieser Technik in Fachkreisen heute allerdings nicht zugesprochen.

Vonseiten der Automobilindustrie war bereits 1994 zu hören, in zehn Jahren könne jedermann mit Brennstoffzellenautos durch die Gegend fahren. Um die Jahrtausendwende gab es den ersten regelrechten Brennstoffzellen-Hype. Es hieß, die Brennstoffzelle werde die einhundertjährige Vorherrschaft des Verbrennungsmotors beenden. Die damalige Euphorie wich dann aber einer gewissen Ernüchterung, weil die tatsächlichen Entwicklungsarbeiten nicht so zügig vorankamen, wie zunächst erwartet. Es folgten weitere Hypes, bislang gelang aber nie der Durchbruch.

Die grundlegenden technischen Probleme gelten zwar seit 2010 als gelöst, aber – neben den Kosten – machten das Gewicht sowie das Volumen, insbesondere das Packaging, die Größe und Anordnung der Tanks für akzeptable Reichweite, noch lange Zeit Probleme. Und auch die Zuverlässigkeit war noch verbesserungswürdig.

Beim Thema Preis konnten in den vergangenen Jahren zwar die Kosten für Brennstoffzellen beziehungsweise für gesamte Brennstoffzellen-Systeme erheblich reduziert werden, indem beispielsweise der Anteil des teuren Katalysators Platin erheblich verringert wurde, aber dies reichte bei Weitem noch nicht aus. So wurde auch kontinuierlich an der Erhöhung der Strom- und Leistungsdichte geforscht. Aber ob letztlich die involvierten Entwickler nicht schneller konnten oder vielleicht die Vorstandsebene nicht schneller wollte, ist Ermessenssache.

Daimler brachte Ende 1993 die erste Generation seines NeCars (New Electric Car) auf die Straße. Es folgten fünf Fahrzeuggenerationen sowie der NeBus, aber erst Ende 2018 stellte Daimler den Brennstoffzellen-Batterie-Hybriden Mercedes GLC F-Cell vor, der dann jedoch nur kurzzeitig in einem Leasingpaket für ausgewählte Kunden erhältlich war. Bei der Reichweite scheiterte das Fahrzeug jedoch an der 300-Kilometer-Marke. Im Jahr 2020 erklärte Daimler, dieses Modell nicht weiter bauen und entwickeln zu wollen. Stattdessen heißt es seitdem bei Daimler: Batterien für die Pkw, Brennstoffzellen nur für Busse und Lkw.

Mercedes-Benz GLC F-CELL (24 Bilder)

(Bild: Daimler)

Führend in der Entwicklung von Brennstoffzellen-Fahrzeugen sind heute die asiatischen Automobilhersteller. Toyota forscht seit 1971 auf dem Gebiet alternativer Antriebskonzepte und arbeitet seit 1992 an Brennstoffzellen. 1996 präsentierte der damals drittgrößte, heute der größte Automobilkonzern der Welt, in Osaka seinen ersten Prototypen eines Fuel Cell Hydrogen Vehicle (FCHV) auf Basis des Toyota RAV4. Auch Hyundai machte mehrfach mit beispielhaften Entwicklungen und Demonstrationen auf sich aufmerksam. Dementsprechend sind es zwei asiatische Modelle, die heute mit Brennstoffzellenantrieb gekauft werden können: der Hyundai Nexo (Test) und der Toyota Mirai (seit Anfang 2021 in der zweiten Generation).