Bonner Stadtverwaltung will Nokia-Handys eintauschen

Der Verwaltungsrat der Stadt Bonn hat heute beschlossen, dass die Mitarbeiter der Stadtverwaltung ihre Nokia-Handys eintauschen. sobald es die Vertragssituation zulässt.

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Bonns Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann (SPD) will ein Beispiel setzen: Sie wird aus Solidarität mit den von der geplanten Schließung des Nokia-Werkes in Bochum Betroffenen ihr finnisches Handy gegen ein Mobiltelefon einer anderen Marke eintauschen. Sobald es die Vertragssituation zulässt, sollen ihrem Beispiel auch die übrigen Mitarbeiter der Stadtverwaltung folgen. Das hat der Verwaltungsrat der Stadt beschlossen. Gleich 400 Nokia- Mobiltelefone auf einen Schlag wollen die Bonner Stadtwerke eintauschen. Ein solches Verhalten wie das des Nokia-Managements sei nicht zu akzeptieren, sagte Stadtwerke-Chef Hermann Zemlin laut dpa.

Einer Umfrage der Meinungsforscher von Forsa im Auftrag der Illustrierten Stern zufolge sagten mehr als zwei Drittel der Bundesbürger (68 Prozent), das Ansehen der Marke Nokia habe durch die Entscheidung des Managements, sich vom Standort Bochum zu trennen, gelitten. 31 Prozent sind der Ansicht, die geplante Schließung werde sich nicht negativ auf die Marke Nokia auswirken. Auf die Frage, ob sie künftig vom Kauf eines Nokia-Handys absehen würden, antworteten 56 Prozent der Bürger mit "Ja". Für 34 Prozent hat die Werksschließung keinen Einfluss auf ihre Entscheidung beim nächsten Handy-Kauf.

Die SPD-Opposition hat vor dem aktuellen Hintergrund die Wirtschaftspolitik der nordrhein-westfälischen Landesregierung scharf kritisiert. Die Fälle Nokia und WestLB zeigten, dass die Regierung "keinen Plan, kein Konzept, keine Strategie" habe, sagte SPD-Fraktionschefin Hannelore Kraft heute im Düsseldorfer Landtag. "Sie verlassen sich ganz auf das Prinzip Hoffnung". Das sei für Nordrhein-Westfalen viel zu wenig. Dass die Landesregierung von der Ankündigung des Handyherstellers Nokia überrascht wurde, sein Werk in Bochum zu schließen, zeige, dass die Landesregierung kein Vorwarnsystem für solche Krisen habe. Der so angesprochene Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) rief der SPD in der Debatte zu: "Sie haben Lust an der Krise."

Nach Ansicht des Fraktionsvorsitzenden der FDP im NRW-Landtag, Gerhard Papke, ist die bevorstehende Schließung des Nokia-Werks kein Versagen der sozialen Marktwirtschaft. Das "inakzeptable Verhalten" von Nokia sei nicht beispielhaft, sagte der FDP-Mann heute im Parlament. Es handele sich vielmehr um ein Versagen des staatswirtschaftlichen Instruments Subventionen. Dafür sei die alte rot-grüne Landesregierung mitverantwortlich. Unter dem früheren Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD) habe Nokia für Bochum noch 40 Millionen Euro an Subventionen erhalten.

Gesamtmetall-Präsident Martin Kannegiesser sieht Nokia-Pläne für Bochum als nicht repräsentativ für die Industrie in Deutschland an. Die angekündigte Werksschließung sei zwar "bitter und enttäuschend". Sie sei Ausdruck eines Strukturwandels bei Nokia, sagte Kannegiesser gestern vor Journalisten in Berlin. Die Verlagerung der Produktion nach Osteuropa sei aber als Einzelfall zu sehen und tauge "nicht dazu, um irgendjemandem Angst zu machen". Kannegiesser sprach sich aber dafür aus, die Subventionspraxis in der EU zu überprüfen. Es stelle sich die Frage, ob Subventionen für Industrieansiedlungen bei voller Freizügigkeit in der EU "noch sinnvoll sind oder ob das nur noch zu Mitnahmeeffekten führt".

Der ehemalige finnische Regierungschef Esko Aho kritisiert die Boykottaufrufe deutscher Politiker gegen den finnischen Handykonzern Nokia. "Das ist eine typische und nachvollziehbare Reaktion, wenn irgendwo in Europa Arbeitsplätze abgebaut werden. Aber sie wird die globale Wettbewerbsfähigkeit Europas nicht verbessern – im Gegenteil", sagt er der Zeit. Der Wohlstand in Europa habe bislang auf dem erfolgreichen Wandel von einer Agrar- in eine Industriegesellschaft beruht. Nun aber müsse sich Europa "von einer Industrie- in eine Wissensgesellschaft" verwandeln. Aho war von 1991 bis 1995 Premierminister in Finnland.

Derweil sind erste Zeitarbeiter des von der Schließung bedrohten Bochumer Nokia-Werks auf neue Arbeitsplätze weitervermittelt worden. Für rund zehn Prozent der 500 Adecco-Beschäftigten beim Handyhersteller seien neue Jobs gefunden worden, sagte eine Sprecherin des Unternehmens heute in Fulda der dpa. Auch eine Sprecherin von Randstad, das rund 550 Zeitarbeiter für Nokia gestellt hatte, zeigte sich zuversichtlich: "Wir werden nicht für alle neue Arbeit finden, es wird aber definitiv keine Massenentlassung geben." Einige Angestellten haben beide Unternehmen in den vergangenen Tagen gekündigt.

Zur geplanten Schließung des Nokia-Werks in Bochum siehe auch: