Fußball-WM: Von Klinsmann lernen, heißt sicherer werden
Der Bundesinnenminister wertete das Zusammenspiel aller bei der WM beteiligten Sicherheitskräfte als erstklassig. Die GdP forderte außer optimierter Zusammenarbeit von Polizei und Nachrichtendiensten die Einrichtung einer zentralen Anti-Terror-Datei.
In einer abschließenden Pressekonferenz zur Sicherheitslage der am Sonntag zu Ende gegangenen Fußball-WM werteten Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble und sein bayerischer Amtskollege Günther Beckstein in Berlin das Zusammenspiel und Verhalten aller beteiligten Sicherheitskräfte als erstklassig. Schäuble betonte, dass die Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder wie Bundestrainer Jürgen Klinsmann die Voraussetzungen dafür geschaffen hätten, "dass alle Fußballfans das WM-Fest unbeschwert und sorglos erleben und genießen konnten". Günther Beckstein lobte in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der Innenministerkonferenz der Bundesländer, dass die Polizisten selbst bei schwierigsten Einsätzen mit einem Lächeln im Gesicht aufgetreten seien.
In der Einschätzung beider Politiker hat sich das Konzept bewährt, über 570 ausländische Polizisten einzusetzen, von denen 320 aus 13 europäischen Staaten in ihrer jeweiligen Uniform zum Einsatz kamen. Das habe als Symbol für die europäische Einheit und Zusammenarbeit sowie für die Internationalität und die völkerverbindende Kraft der Fußball-Weltmeisterschaft besonders nachhaltig gewirkt, meinte Schäuble.
Bereits am Montag hatte Michael Endler, Leiter der Zentralen Informationsstelle für Sporteinsätze in Neuss, erklärt, dass die WM friedlich abgelaufen sei. Insgesamt habe die Polizei nur 9000 Personen in Gewahrsam nehmen müssen. Von ihnen seien 80 Prozent Deutsche gewesen, der überwiegende Rest Engländer. Zur Problematik der Hooligans erklärte Endler: "Die schlimmen Jungs aus Osteuropa sind nicht in der Zahl wie erwartet nach Deutschland gekommen." Die polizeibekannten englischen Hools seien sogar zu 100 Prozent auf der Insel geblieben. Insgesamt habe die Polizei 7000 Straftaten registriert, überwiegend in den Kategorien Körperverletzung, Sachbeschädigung und Diebstahl. Bei den Körperverletzungen seien insgesamt 850 Personen verletzt worden, davon 350 aktive Störer, 200 Polizisten und 300 Unbeteiligte.
Obwohl kein einziger Vorfall mit terroristischem Hintergrund bekannt wurde, wertete Innenminister Schäuble in Berlin die vergleichsweise harmlosen Zahlen des ZIS nicht als Indiz dafür, dass die terroristische Gefahrenlage abgenommen hat. Schäuble stellte seinen Entwurf des neuen Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetzes (TBEG) vor, mit dem sich das Bundeskabinett am Mittwoch befassen wird. Dieses Gesetz soll verschärft werden, obwohl laut Schäuble die Sicherheitsbehörden in den vergangenen drei Jahren nur 99 Mal von den erweiterten Befugnissen des nach dem ehemaligen Bundesinnenminister Otto Schily benannten "Otto-Katalogs" mit Anti-Terrorgesetzen Gebrauch machten. "Wir brauchen die nach den Anschlägen des 11. September 2001 geschaffenen Befugnisse unserer Sicherheitsbehörden weiterhin, denn die terroristische Bedrohung ist seither leider nicht geringer geworden. Der Terrorismus ist eine fortdauernde Bedrohung. Deshalb ist es erforderlich, dass wir unser Instrumentarium fortentwickeln. Um den Kurs eines dauerhaft hohen Fahndungs- und Ermittlungsdrucks in Deutschland erfolgreich fortführen zu können, ist das Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz erforderlich", erklärte Schäuble.
Das erweiterte TBEG sieht vor, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz leichter Auskünfte von Fluggesellschaften über Flugbuchungen verdächtiger Personen erhalten kann. Außerdem soll es erlauben, dass "islamistische Hassprediger und rechtsextremistische Hetzer" im Inland überprüft werden können, auch wenn sie bisher noch nicht mit verfassungsfeindlichen Bestrebungen in Erscheinung getreten und damit erfasst seien, betonte Schäuble. Im Zusammenhang mit der Föderalismusreform kündigte Schäuble die Einrichtung gemeinsamer Dateien von Polizeibehörden und Nachrichtendiensten an. Auch sollen die Präventivbefugnisse des BKA ausgeweitet werden.
Während die Erweiterungspläne des TBEG bei Bürgerrechtlern auf scharfe Kritik stießen, bekamen beide Innenminister Beifall von der Gewerkschaft der Polizei. So erklärte der Gewerkschaftsvorsitzende Konrad Freiberg: "Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 ergab sich noch nicht die zwingende Notwendigkeit, Auskunftsbefugnisse auch zur Aufklärung verfassungsfeindlicher Bestrebungen im Inland einzusetzen. Nach den Terrorakten von London vor rund einem Jahr aber ergeben Ermittlungen nahezu täglich, dass eine wachsende Gefahr durch im Land aufgewachsener und scheinbar integrierter Personen, die sich gewaltbereit dem islamistischen Terrorismus zuwenden, besteht."
Freiberg forderte neben der optimierten Zusammenarbeit von Polizei und Nachrichtendiensten die Einrichtung einer zentralen Anti-Terror-Datei ohne bürokratische Hürden. Diese Datei müsse nach Jahren der zähflüssigen Verhandlungen eingerichtet werden.
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(Detlef Borchers) / (jk)