US-Kartellwächter gegen Festschreibung der Netzneutralität
Die Handelsaufsicht FTC warnt in einem Bericht zur Breitbandpolitik vor regulierenden Eingriffen in den noch jungen Markt zur Aufrechterhaltung eines offenen Internet, da der Wettbewerb unter den Anbietern selbst dafür sorge.
Die US-Handelsaufsicht Federal Trade Commission (FTC) warnt in einem Bericht zur Breitbandpolitik (PDF-Datei) vor Eingriffen in den noch jungen Markt für Hochgeschwindigkeitszugänge. Eine gesonderte Verpflichtung der Anbieter zur Einhaltung der Netzneutralität ist demnach nicht erforderlich, da der Wettbewerb unter den Netzbetreibern selbst für die Aufrechterhaltung des Prinzips des offenen Internet sorge. "Der Report empfiehlt, dass die politischen Entscheider mit Vorsicht an die sich entwickelnde, dynamische Industrie des Breitbandzugangs zum Internet herangehen", erklärte die FTC-Vorsitzende Deborah Platt Majoras bei der Vorstellung der Ergebnisse der von ihr einberufenen Arbeitsgruppe zur Netzneutralität am gestrigen Mittwoch in Washington.
Der Markt bewegt sich laut Majoras in diesem Bereich in Richtung mehr – nicht weniger – Wettbewerb. Da ihre Behörde keine Anzeichen für bedeutendes Marktversagen oder die Schädigung von Verbrauchern gefunden habe, sollte von neuen Regulierungsauflagen in diesem Bereich unbedingt abgesehen werden. Der Bericht selbst hebt hervor, dass die Konsumenten von gewissen, in die Übertragung von Netzinhalten eingreifenden Vorkehrungen von Breitbandanbietern profitieren könnten. So sei es etwa vorteilhaft, wenn bestimmten Anwendungen wie Video-Streaming oder IPTV mit besonderer Priorität behandelt würden. Insgesamt wisse man noch nichts über die Gesamtauswirkungen, die potenzielle Verhaltensweisen der Netzbetreiber etwa auf die Preise oder die Qualität breitbandiger Zugänge entfalten könnten. Generell seien bei Fehlentwicklungen ein kartellrechtliches Eingreifen oder eine Verschärfung der Gesetze zum Verbraucherschutz erfolgsversprechender als Vorgaben zur Netzneutralität.
Die FTC nahm den Report einstimmig an. Der Kommissar John Leibowitz hielt in einer Zusatzerklärung (PDF-Datei) aber fest, dass die "Internetfreiheiten" in Gefahr seien. Es gebe gute Gründe für die Befürchtung, dass einzelne Breitbandfirmen starke finanzielle Anreize zur Einschränkung des Zugangs zu Inhalten und Anwendungen hätten. Der Bericht zeige, dass neben einer vorschnellen Regulierung auch das Nichtstun seine Kosten haben könnte.
Verfechter einer Festschreibung des Prinzips des offenen Internet wie Amazon.com, eBay, Google, Microsoft oder Yahoo fürchten in dem hitzig geführten Streit, dass Telekommunikationskonzerne und TV-Kabelanbieter das Internet in teure, mit Mautstationen abgesperrte Luxusbahnen einerseits und holprige Feldwege andererseits aufteilen wollen. Großen US-Breitbandanbietern und einigen europäischen Carriern wie der Deutschen Telekom geht es dagegen darum, für den Aufbau ihrer Hochgeschwindigkeitsnetze Inhalteanbieter für die zugesicherte oder besonders rasche Übertragung von Daten zur Kasse zu bitten. Sie wollen Möglichkeiten zur unterschiedlichen Behandlung des Datenverkehrs in ihren Backbones erhalten, abhängig etwa von Quelle, Dienst und Bandbreitenverbrauch. So könnten sie den Datenverkehr von besser zahlenden Kunden bevorzugt behandeln oder VoIP-Anbieter, die ihrem Festnetzgeschäft Konkurrenz machen, benachteiligen.
Ein Manager von Verizon begrüßte die Grundlinie des Reports. Ein Regulierungsexperte von Amazon.com forderte den US-Kongress dagegen zum Schutz der Netzneutralität auf. Die Präsidentin der Bürgerrechtsorganisation Public Knowledge, Gigi Sohn, erklärte den angeblich ausgemachten starken Wettbewerb bei Breitband-Diensten zu einem Wunschdenken der Kartellwächter. Auch mit neuen schnellen drahtlosen Netzzugängen werde das Duopol der Kabel- und Telefonanbieter nicht aufgebrochen. Ein Sprecher des Projekts Media Access warnte vor Auswirkungen auf die politische Diskussionskultur im Internet. Es wäre fatal, wenn Konzerne aus dem TK-Sektor darüber bestimmen könnten, welcher Meinungsvertreter mit welcher Geschwindigkeit zu Wort komme.
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(Stefan Krempl) / (jk)