Digitaler Behördenfunk: Brandenburg will Angebot nicht akzeptieren
Mit dem dezidierten Nein aus Brandenburg zum Angebot von DB Telematik wird ein neues Kapitel in der langen Geschichte des Nichtaufbaus eines modernen Behördenfunknetzes aufgeschlagen.
Das brandenburgische Innenministerium hat als erstes Bundesland das neue Angebot der DB Telematik zum Aufbau des BOS-Funknetzes abgelehnt, berichtet die Märkischen Allgemeine . Die Bahntochter hatte am 30. November ein neues Angebot vorgelegt, nachdem klar war, dass das ursprüngliche Angebot mit 4,5 Milliarden Euro zu knapp kalkuliert war. Das neue Angebot liegt bei 5,1 Milliarden, die über einen Zeitraum von 15 Jahren zu zahlen sind. Auf Brandenburg würden damit nach Berechnungen des Innenministeriums bis zum Jahre 2021 Kosten von mindestens 65 Millionen Euro entfallen. Dies sei zu viel, zumal die Leitungskapazitäten von DB Telematik zu schwach berechnet seien. Nun will Brandenburg einen nicht näher erläuterten Plan B verfolgen und bis 2008 einen landesweiten Digitalfunk für Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienste einführen.
Mit dem dezidierten Nein aus Brandenburg wird ein neues Kapitel in der langen Geschichte des Nichtaufbaus eines modernen Behördenfunknetzes aufgeschlagen. Das Nein des Bundeslandes ist eine Spätfolge eines gravierenden Fehlers, den der damalige Innenminister Otto Schily (SPD) beging, als er im Februar 2005 ein "Rumpfnetz" vorschlug, das bis zur Fußball-Weltmeisterschaft installiert sein sollte. Obwohl die Idee heftig kritisiert wurde, vergab Schily den Auftrag ohne vorherige Ausschreibung an die DB Telematik. Der verfahrensrechtlich bedenkliche Schritt wurde mit der Eile begründet, das Netz zur Fußball-WM zu benötigen. Dabei rächte es sich, dass im Vergabevertrag keine Obergrenze für die Kosten des Rumpfnetzes festgelegt wurde. So gab die DB Telematik zunächst eine Offerte über 4,5 Milliarden ab, die sie dann auf 6 Milliarden aufstocken wollte, ehe Bahnchef Mehdorn ein Machtwort sprach. Die nunmehr diskutierten 5,1 Milliarden sind ein Kompromiss, den Experten "unbefriedigend" nennen.
Abseits der Kostenhöhe ist einem Bericht der Süddeutschen Zeitung zufolge vor allem die Leistungsstärke des Netzes noch umstritten. Bund und Länder gehen in ihrer Ausschreibung von 390 Milli-Erlang Leistung für eine Funkzelle aus, die DB Telematik veranschlagt jedoch nur 150 Milli-Erlang. Nach den Erfahrungen der Fußball-WM kamen Digitalfunkgeräte mit Gesprächen in guter Qualität auf 21 Milli-Erlang. Teilt man diese Leistung durch die Versorgungsleistung einer Funkzelle, so erhält man die Zahl der Teilnehmer, die gleichzeitig in einer Funkzelle telefonieren können. So entspricht der Bahn-Berechnung die Kapazität von 7,1 Teilnehmern pro Zelle, die Vorgabe des Bundes jedoch die Kapazität von 18,6 Teilnehmern. Dieser Wert wird von Digitalfunkexperten als realistisch bezeichnet.
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(Detlef Borchers) / (jk)