Obermann hält Übernahme der Telekom durch Finanzinvestoren für möglich
Die Verhandlungen über die geplante Auslagerung von rund 50.000 Telekom-Mitarbeiter in die neue T-Service, wo sie länger für weniger Geld arbeiten sollen, werden fortgesetzt; die Gewerkschaft spricht von einer "geschichtlichen Auseinandersetzung".
Der Vorstandschef der Deutschen Telekom, René Obermann, hält eine Übernahme seines Unternehmens durch Finanzinvestoren für denkbar. "Ich halte es nicht für ausgeschlossen, Gegenstand von Übernahmeszenarien zu werden, wenn es uns nicht gelingt, in den nächsten Jahren die Unternehmensbewertung zu steigern", sagte Obermann am Mittwochabend in Berlin. Der Bonner Konzern sieht sich gegenüber der Konkurrenz im Wettbewerbsnachteil und will daher mit einem umfassenden Umbau seine Kosten senken.
Obermann verteidigte die geplante Auslagerung von rund 50.000 Mitarbeitern in drei Gesellschaften unter dem Dachnamen T-Service, über die seit Dienstag mit der Gewerkschaft ver.di im rheinland-pfälzischen Mayschoß in fünfter Runde verhandelt wird. Nach einer Unterbrechung am Vorabend sollen die Gespräche am heutigen Donnerstag fortgesetzt werden. Die Gewerkschaft wendet sich weiterhin entschieden gegen die Pläne der Telekom, die Beschäftigten zu verschlechterten Bedingungen in drei Service-Gesellschaften auszulagern. Dort sollen sie länger und für weniger Geld arbeiten.
Obermann verwies auf das Beispiel der Deutschen Börse, die von Finanzinvestoren zu einem Strategiewechsel gezwungen worden war. Dies könnte auch bei der Telekom geschehen. "Aktive" Aktionäre könnten dazu in direkte Auseinandersetzung mit dem Vorstand der Telekom treten. Eine Zerschlagung des Bonner Konzerns hält er dann für denkbar. An der Telekom ist der Finanzinvestor Blackstone mit 4,5 Prozent beteiligt und damit größter Telekomaktionär nach dem Bund; Blackstone soll unter anderem eine wichtige Rolle bei der Ablösung von Obermanns Vorgänger Kai-Uwe Ricke gespielt haben.
Um die Wettbewerbsfähigkeit der Telekom zu sichern, will Obermann die Kosten massiv senken. Der Kostennachteil in Deutschland belaufe sich im Jahr auf 1,5 Milliarden Euro im Vergleich zum Wettbewerb. Der Telekom-Chef bekräftigte, dass er sich auch bei einer Ausweitung der Streiks nicht von seinem Kurs abbringen lasse. "Ein halbherziger Kompromiss bringt uns nicht weiter." Dann stehe die Telekom in ein bis zwei Jahren wieder vor den gleichen Problemen. Die Telekom hat laut Angaben aus Kreisen im ersten Quartal 600.000 Festnetz-Kunden verloren.
Der Konzernchef beteuerte indes, dass die Telekom zu Zugeständnissen bereit sei. "Wir sind an kleinen Stellen kompromissbereit." Die Mitarbeiter von T-Service sollen zwölf Prozent weniger Lohn erhalten und mindestens vier Stunden länger arbeiten. Zur fünften Gesprächsrunde waren am Mittwoch auch rund 1000 Telekom-Mitarbeiter angereist, die lautstark gegen die Pläne des Vorstands protestiert hatten. ver.di drohte mit einer Ausweitung der Protestaktionen; beispielsweise haben rund 2000 Beschäftigte der Telekom am Donnerstagmorgen in Nordrhein-Westfalen erneut die Arbeit niedergelegt. Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di hatte zu ganztägigen Warnstreiks aufgerufen. In Hessen seien rund 1300 Mitarbeiter der Call-Center und Servicemonteure dem Aufruf gefolgt, auch beispielsweise in Bayern, Berlin und Brandenburg kam es zu Arbeitsniederlegungen. Die Gewerkschaft fordert einen tariflichen Auslagerungsschutz für die betroffenen Beschäftigten.
"Wir stehen vor einer geschichtlichen Auseinandersetzung, wir werden uns wehren und lassen nicht mit uns Schlitten fahren", sagte Verhandlungsführer Lothar Schröder. Er kündigte zugleich eine Fortsetzung der Warnstreiks an. "Wenn wir damit nicht zurechtkommen, gehen wir in die Urabstimmung". Vom ver.di-Bundesvorstand hatte die Verhandlungsdelegation am Dienstagabend eine Genehmigung zur Vorbereitung der Urabstimmung erhalten.
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(dpa) / (jk)