SCO vs. Linux: Stagnierendes Geschäft mit DMCA-Klage anschieben
Die Klagen wegen angeblich geklautem Unix-Code im Linux-Kernel haben das SCO-Geschäft noch nicht so richtig befeuert -- eine Klage unter Berufung auf den DMCA gegen Nutzung des ABI-Codes soll weiterhelfen.
Bislang haben die Klagen wegen angeblich geklauten Unix-System-V-Codes in Linux noch nicht zu Lizenzeinnahmen geführt, die SCO aus den roten Zahlen herausführen: Die SCO Group hat am heutigen Montag ihren Bericht für das vierte Quartal des Geschäftsjahres 2003 vorgelegt und dabei von einem "starken Quartal" gesprochen. Insgesamt habe man 24,3 Millionen US-Dollar eingenommen, davon 14 Millionen mit dem Verkauf von Unix-Produkten und 10,3 Millionen mit dem Lizenzgeschäft. Besagte 10,3 Millionen sind Restzahlungen von Sun Microsystems und Microsoft, die Anfang des Jahres mit SCO Lizenz-Abkommen eingegangen sind. Im Vergleich zum Vorjahresquartal spricht SCO von einem starken Wachstum. Damals betrugen die Einnahmen aus dem Unix-Geschäft 15,5 Millionen US-Dollar; eine Lizenzabteilung gab es noch nicht. Entsprechend dem Verlust im Unix-Bereich macht SCO einen Verlustvortrag von 1,6 Millionen US-Dollar oder 0,12 US-Cent pro Aktie geltend.
Da mit den einmaligen Zahlungen von Sun und Microsoft keine weiteren Einkünfte im Lizenzgeschäft zu erwarten sind -- Einnahmen aus der im Sommer kreierten Linux-Lizenz tauchen im Geschäftsbericht nicht auf -- will die SCO Group über den Weg des Digital Millennium Copyright Act (DMCA) neue Einnahmen erzielen. In einer Mitteilung zu einer neuen Klageninitiative kündigt die Firma einen Drohbrief an Linux-Endanwender der Fortune 1000 an, in dem die Firmen aufgefordert werden, unverzüglich die Nutzung von ABI-Code einzustellen, weil dieser gegen Absatz 1202 des DMCA verstoße. Der inkriminierte ABI-Code, der das Ausführen unmodifizierter Unix-Programme -- etwa für UnixWare und OpenServer geschriebener Software -- unter Linux ermöglicht, wurde am 10. 7. 2001 von SCO unter der GPL mit diesem Kommentar veröffentlicht:
"There is a current linux-abi module available now. We have tried it out and it works perfect on 2.4.6 kernel. To get the latest linux-abi-2.4.6, go to this link:
ftp.openlinux.org:/pub/people/hch/linux-abi/linux-abi-2.4.6.0.diff.
All of our sco binaries are working perfectly under this version."
In welcher Form der von SCO vertriebene Code den Tatbestand eines vorsätzlich gefälschten oder falschen Copyrights gemäß Abschnitt 1202 des DMCA darstellt, ist umstritten. Mit den Niederlagen, die die DMCA-Verfechter in letzter Zeit bei allzu großzügiger Auslegung des Gesetzes erlitten haben, wird dem Vorgehen von SCO keine großen Chancen eingeräumt.
In einem weiteren Schreiben, das bereits durch die New York Times bekannt wurde, wendet sich SCO an die eigenen Kunden. Sie müssen bis zum Januar eine acht Punkte umfassende Erklärung zu verschiedenen Themen abgeben, um eine Klage von SCO zu vermeiden. Zu der Erklärung gehört die Versicherung, dass Angestellte ihre Unix-Kenntnisse niemals zur Entwicklung von Linux benutzt und jederzeit alle Codezeilen von SCO vertraulich behandelt haben.
Während SCO weiter auf dem Weg der Klagen zieht, öffnet sich ein neues Feld der Auseinandersetzung, nachdem bekannt geworden ist, dass nicht nur SCO, sondern auch Novell ein Copyright auf Unix System V beantragt hat. Womöglich hat die Auseinandersetzung um das Copyright eine aufschiebende Wirkung über mehrere Jahre, was die Strategie von SCO anbelangt. Es betrifft jedoch nicht die laufende Gerichtsverhandlung mit IBM, bei der SCO IBM vorwirft, Copyrights und Warengeheimnisse von SCO missbraucht zu haben. Hier ist die nächste Verhandlungsrunde für den 23. Januar terminiert -- unter Aufforderung durch das Gericht an SCO, die Beweise für angebliche Copyright-Verletzungen endlich auf den Tisch zu legen.
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(Detlef Borchers) / (jk)