Nationale Wasserstoffstrategie: Chancen von H2 im Güterverkehr

Der hohe Energiebedarf großer Nutzfahrzeuge wächst an vielen Stellen über sinnvolle Batteriegrößen hinaus. Wasserstoff ist eine mögliche Lösung.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 322 Kommentare lesen

Der Brennstoffzellen-Truck Mercedes-Benz GenH2 als Konzeptfahrzeug

(Bild: Daimler Trucks)

Lesezeit: 12 Min.
Von
  • Clemens Gleich
Inhaltsverzeichnis

Wasserstoff soll der Heilsbringer in der Energiewende werden. Was nicht direkt oder ausreichend bequem elektrifiziert werden kann, soll mit Wasserstoff angetrieben werden. Dementsprechend misst die deutsche Bundesregierung Wasserstoff eine bedeutende Rolle in der Dekarbonisierung der deutschen Wirtschaft zu. Unsere Artikelserie will die Pläne der Bundesregierung genauer unter die Lupe nehmen und konkrete Anwendungsbereiche – insbesondere im Kfz-Bereich – beleuchten. Was technisch möglich ist, soll auch auf Effizienz und Skalierbarkeit abgeklopft werden.

Im Pkw-Bereich zeigen sich batterieelektrische Antriebe mehr und mehr als ausreichend für den Zweck. Doch im Güterverkehr mit langen Nutzungsdauern, hoher Auslastung und hohen Tagesdistanzen kann es je nach Einsatzgebiet anders aussehen. Hier diskutieren Ingenieure und Politiker unter anderem über Wasserstoff als Energieträger. Auf wie breiter Front mit Wasserstoff-Antrieben gerechnet werden muss, hängt zu einem hohen Maß von der politischen Gestaltung der Regeln ab.

DFDS will zusammen mit Entwicklungspartnern auf der Route Oslo – Frederikshavn – Copenhagen eine Brennstoffzellen-Fähre einsetzen. Angepeilte Nennleistung des Systems: 23 MW

(Bild: DFDS)

Containerschiffe befördern den größten Teil der internationalen Fracht. Satellitenbilder zeigen auf ihren Routen daher zu manchen Wetterlagen sichtbaren Dunst. Diese Maschinen sind gigantisch groß und sehr lange im Einsatz. Traditionell verbrennen ihre Motoren zu verschiedenen Anteilen Schweröl, ein preiswertes Rückstandsprodukt aus Erdölraffinerien, das jedoch recht dreckiges Abgas produziert. Ein Motor, der Schweröl verkraftet, verträgt (passend aufbereitet) praktisch jeden Brennstoff. Deshalb diskutiert die Schifffahrt gerade viele Arten von CO2-reduzierten oder gar -neutralen Treibstoffen, die "drop-in" bestehende Antriebe verfeuern könnten. Das könnten zum Beispiel Methanol, Ethanol oder Flüssigerdgas (LNG) sein. Methanol beispielsweise lässt sich mit einer Energieeffizienz von 85 Prozent aus Wasserstoff und CO2 herstellen.

Die Wasserstoff-Zukunft

Man könnte auch reines Wasserstoffgas verbrennen, doch wie in allen Einsatzgebieten wären die Tanks groß und aufwendig. Für Schiffs-Brennstoffzellen ist daher Ammoniak im Gespräch, das Wasserstoff an Stickstoff bindet und schon ein gutes Stück einfacher zu handhaben wäre. Die reine Wasserstoff-Brennstoffzelle wird sich in einer dekarbonisierten Schifffahrt ihre Nischen suchen müssen, zunächst näher an der batterielektrischen Pendel-Fähre als am Langstrecken-Containerschiff. Eine große Rolle spielt sie auf absehbare Zeit noch nicht. Um hier Anreize zu setzen, müsste die internationale Staatengemeinschaft gemeinsam zum Beispiel Schweröl verteuern, um dessen Verbrennung zu senken. Der Trend geht hier jedoch eher in die andere Richtung, weil wir Westler so viel Konsumkram in China kaufen. Der Schwerölverbrauch wird noch einige Zeit weiter ansteigen.

Airbus' Langstrecken-Konzept "ZEROe": Beachten Sie die dünnen Flügel ohne Tanks und den Tankraum hinter der verkürzten Passagier-Druckkabine.

(Bild: Airbus)

Wasserstoff als Flugzeugtreibstoff kämpft mit den Luftfahrtlimitationen von Gewicht und Volumen. Brennstoffzellen sind bei der erforderlichen Leistung schwer. Die Turbinen könnten direkt Wasserstoffgas verbrennen, doch dann schlägt die Eigenschaft von Wasserstoff zu, dass es zwar massemäßig leistungsdicht wäre, aber nicht volumenmäßig: Ein H2-Tank müsste 3,4 Mal so groß sein wie ein Kerosintank. Er müsste zudem nach absehbar verfügbarer Technik zylindrisch sein, während große Flugzeuge Kerosin nutzraumtechnisch recht geschickt in den Flügeln lagern. Airbus' 2020 vorgestelltes H2-Langstreckenkonzept lagert daher den Wasserstoff hinter der (entsprechend verkleinerten) Passagierkabine im Rumpf. Die Energiekosten lägen beim 20-fachen von heutigem Kerosin, und als letztes Sahnehäubchen produziert die heiße Wasserstoff-Verbrennung eine erhebliche Menge Stickoxide. Die Flugzeugindustrie liebäugelt deshalb mit eKerosin, also einem Kerosin, das dereinst CO2-neutral aus Solar- oder Windstrom stammen soll und ab Verfügbarkeit auch den Bestand versorgen kann. Die Vereinigten Arabischen Emirate planen zum Beispiel bei Abu Dhabi die Herstellung solaren eKerosins.

Berichte über Brennstoffzellen- und Batterie-Flugzeuge sollten Sie stets im Kontext dieser meistens leichten und langsamen Geräte betrachten. Die Realität des Linienverkehrs im Hinblick auf alternative Antriebe hat ein Lufthansa-Sprecher der Augsburger Allgemeinen eindeutig vermittelt: "Etwa 80 Prozent der Flüge entfallen auf Strecken, die länger als 1500 Kilometer sind. Dafür gibt es heute und auf absehbare Zeit keine gleichwertigen und schnellen Alternativen und auch keine neuen Antriebstechnologien." Airbus' Konzept fliegt mit ganz normalen Turbofans, die H2 verbrennen. Bis es in frühestens etwa 10 Jahren überhaupt nennenswerte Mengen eKerosin gibt, bleibt umweltbewussten Reisenden nur, Flüge schlicht in ihrer Anzahl zu reduzieren. Der noch Umweltbewusstere wartet auf wasserstoffbefeuerte Turbofan-Langstreckenflüge, weil die frühestens in 20 Jahren mit konzeptionell geänderten Flugzeugen angeboten werden könnten – wenn jemand heute anfinge, diese Konzepte zu konstruieren, was noch niemand tut.

Alstoms Brennstoffzellenzug Coradia iLint, hier im Testbetrieb der österreichischen ÖBB

(Bild: Alstom)

Dass sich Wasserstoff für den Schienenverkehr besser eignet, zeigt schon der Umstand, dass bereits H2-Brennstoffzellen-Züge im Regelbetrieb fahren: Zwischen Cuxhaven und Buxtehude etwa verkehren seit 2018 zwei Züge des französischen Herstellers Alstom vom Typ Coradia iLint (die mit "i" haben eine Brennstoffzelle). Andere Standorte testen noch oder denken über den Einsatz nach. Eine Tank-Infrastruktur exisitiert noch nicht. In Norddeutschland betankt ein H2-Tankwagen aus den Niederlanden die iLints. Dennoch zeigen Test und Betrieb, dass die Brennstoffzelle sich technisch eignet, auf nicht elektrifizierten Bahnstrecken für Energie zu sorgen.