Comdex: Die Sehnsucht nach den Geeks

Will die Comdex wieder an Bedeutung gewinnen, so muss sie sich aus den Fesseln von Microsoft lösen. Während die "üblichen Verdächtigen" brav zur Messe gefahren sind, fehlten die Geeks, die Programmierer und Hardware-Tüftler.

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Von
  • Detlef Borchers

Während die CeBIT in Zukunft wieder um einen ganzen Tag gekürzt wird, hat die Comdex nur einen halben Tag abgeschafft: Am heutigen Freitagmittag endet die Messe, die Sonntagabend mit einer Keynote von Bill Gates über SPOTs und den Zauber der Software eröffnet wurde.

Man hätte die Comdex aber auch am Donnerstag schließen können. Die längsten Schlangen gab es natürlich beim Segway-Roller und dem Stand einer örtlichen Bierbrauerei. An einigen Ständen wurde schon abgebaut, obwohl die Messeleitung solchen Frevel bestrafen will: Wer zu früh abrückt, verliert im nächsten Jahr das Anrecht auf einen guten Standplatz. Das scheint offensichtlich egal zu sein. Selbst in der auf zwei Hallen reduzierten Messe gab es Platz im Überfluss. So schenkten die Comdex-Produzenten von Key3Media der Free Software Foundation einen Messestand, gemeinerweise aber inmitten zahlreicher Anbieter von Massagegeräten und "Wohlfühlstühlen". Viele Aussteller sind der Meinung, dass die Malaise auch im nächsten Jahr nicht behoben ist. Neben "Nine-Eleven", so das Kürzel für die Flugzeugattacken der Al Qaida auf New York und Washington, wurde häufig "Y2K" als Begründung angeführt. Dass diese Comdex noch schlechter ausfällt als die Terror-Dex des vergangenen Jahres, wird damit erklärt, dass alle Firmen damals aus Angst vor dem 2000er Problem bereits neue Computer angeschafft hätten.

Das ist indes für den Veranstalter ein Grund, auf 2003 zu verweisen: Zu diesem Zeitpunkt werde nach Ersatz für die 2000er-Generation gesucht und die Comdex wieder wachsen, verkündete Key3Media. Ob die auch von Analysten vertretene Argumentation richtig ist, wird sich im nächsten Jahr herausstellen. Das von der Messeleitung verkündete Ziel von 125.000 Besuchern dürfte jedenfalls nicht erreicht werden. Nach Schätzungen informierter Kreise/Taxifahrer hat die Comdex 2002 in diesem Jahr etwa 70.000 bis 80.000 Besucher gehabt. Im krassen Gegensatz zum allgemeinen Gejammer haben die Spezialveranstaltungen keine Probleme. Die Oracleworld war -- nach Angaben von Oracle -- hoffnungslos überbucht und wuchs rapide. Die parallel zur Comdex in Las Vegas stattfindende ApacheCon meldete ebenfalls Wachstum.

Will die Comdex wieder an Bedeutung gewinnen, so muss sich der Veranstalter wohl oder übel aus den Fesseln von Microsoft lösen -- der Konzern dominiert die Messe mehr denn je. Während die "üblichen Verdächtigen" brav zur Messe gefahren sind, das Schaupublikum enttäuscht wurde (nur zwei Aussteller verteilten T-Shirts) und schließlich wegblieb, fehlten die Geeks, die Programmierer und Hardware-Tüftler. Am Stand von Wibu, einer der drei ausstellenden deutschen Firmen dieser Comdex, war man mit der Resonanz insgesamt zufrieden. Die Kontakte sollen besser als auf der bisher größten Comdex anno 1998 ausgefallen sein. Dennoch wunderte sich Wibu-Chef Oliver Winzenried, dass keine Programmierer den Weg an den Wibu-Stand gefunden hatten. "Früher waren immer die Leute da, die programmieren konnten, heute haben sie fast völlig gefehlt", kommentierte Winkelried gegenüber heise online. Nach einer im Jahre 1998 von der japanischen Softbank (dem damaligen japanischen Veranstalter der Comdex ) veröffentlichten Erhebung waren 38 Prozent der Besucher zur Sparte der Geeks gerechnet worden. Nach einer Keynote von Tim O'Reilly leben die Geeks etwa fünf Jahre der Allgemeinheit voraus. Gut möglich, dass sie schon vor Jahren wussten, dass auf der Comdex nichts zu holen ist.

Zur Entwicklung der Comdex siehe auch:

Zur Herbst-Comdex 2002 siehe auch:

(Detlef Borchers) / (jk)