Renault Austral im ersten Fahrbericht: Hybrid mit ungewöhnlichem Aufbau

Renault setzt im Segment der kompakten SUVs auf Hybridantriebe. Wie fährt sich das Topmodell mit Dreizylinder und Multi-Mode-Getriebe? Eine erste Ausfahrt.

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Renault Austral

(Bild: Renault)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Wolfgang Gomoll
Inhaltsverzeichnis

Wie so viele Hersteller sucht auch Renault sein Heil in der Vervielfachung des SUV-Angebots. Arkana und Megane E-Tech dürfen als Anfang gesehen werden, der Austral setzt die Strategie weiter um. Modelle wie Talisman und Espace haben keine Zukunft. Wie fährt sich der Austral mit dem vorerst stärksten Antrieb?

Mit 4,51 m Länge reiht sich der Renault Austral ungefähr dort ein, wo Autos wie der Mazda CX-5, VW Tiguan, Nissan Qashqai oder Opel Grandland schon um Kunden buhlen. Renault setzt hier nicht auf einen batterieelektrischen Antrieb, sondern auf zwei Mildhybride und einen Vollhybridantrieb. Mit letzterem geht Renault den Weg, den Toyota mit dem Corolla Cross auch eingeschlagen hat, wenngleich es in der technischen Umsetzung große Unterschiede gibt. Denn der Hybridantrieb der Japaner setzt auf einen schlau erdachten, technisch aber vergleichsweise simplen Aufbau. Bei Renault sieht das im Austral etwas anders aus.

Der Verbrenner im Topmodell ist der mit den wenigsten Zylindern und dem kleinsten Hubraum im Austral-Sortiment. Eingebaut wird ein aufgeladener 1,2-Liter-Dreizylinder, der 96 kW bei 4500/min liefert. Das maximale Drehmoment liegt bei 205 Nm, die bei 1750/min zur Verfügung stehen. Zwei E-Motoren mit insgesamt 50 kW unterstützen den Verbrenner. Der soll, und in dieser Hinsicht ähnelt die Grundidee jener von Toyota, so oft es nur geht im Bereich seines besten Wirkungsgrades laufen – und so Sprit auch abseits des Zyklus sparen.

Renault Austral Technik (4 Bilder)

4Control heißt bei Renault die mitlenkende Hinterachse. Sie kann im Austral ...

Eine rein elektrische Fahrt ist höchstens auf kurzen Abschnitten möglich und auch nicht das Ziel. Die Batterie hat einen Energiegehalt von 1,7 kWh, die über Rekuperation und Lastpunktverschiebung aufgeladen werden. Liegt die aktuelle Lastanforderung etwas unter dem Bereich des besten Wirkungsgrades des Verbrenners, arbeitet der mit leicht erhöhter Last und hilft somit, die kleine Batterie zu laden – und umgedreht. Alle drei Antriebsquellen sind um ein Multi-Mode-Getriebe gebaut, das stets im Sinne der maximalen Effizienz eine seiner 15 möglichen Verschaltungen nutzt.

In der Praxis muss sich der Fahrer auf das Konzept einlassen. Wenn er das tut, erntet er einen vergleichsweise geringen Verbrauch. Renault verspricht im WLTP 4,6 bis 4,7 Liter, womit er die anderen Austral-Modelle im Zyklus locker um rund anderthalb Liter unterbietet. Auf der ersten kurzen Ausfahrt, die allein schon durch das Streckenprofil der Strecke reichlich Potenzial zu einer Verbrauchssenkung offenließ, zeigte der Bordcomputer rund 6 Liter an. Verlässliche Werte muss ein ausführlicher Test liefern, dafür war diese Runde viel zu kurz.

Vermutlich sind es Rundungsdifferenzen, die aus 96 und 50 eine Systemleistung von 147 kW zaubern. Das lässt sehr dynamische Fahrleistungen erwarten, immerhin reden wir hier in alter Währung von 200 PS. Doch wer das Topmodell vor allem mit Blick auf diese hohe Leistung kauft, wird schnell enttäuscht sein. Denn die Systemleistung ist gewissermaßen nur ein Abfallprodukt des technischen Aufbaus. Sie weckt unter Umständen Erwartungen, die nicht oder nur unvollständig erfüllt werden. Der Austral Hybrid beschleunigt fraglos ausreichend flott, besonderes Engagement legt er beim Tempozuwachs nicht an den Tag. Bei 174 km/h ist Schluss, auch da wird manch einer sich von 200 PS mehr erhofft haben.

Renault Austral außen (5 Bilder)

Renault unternimmt im Segment der Kompakt-SUV einen neuen Anlauf. Der Austral ...

Auffällig ist, dass es im Austral über einen weiten Bereich des Leistungsabrufs ziemlich leise bleibt. Auch die etwas rückmeldungsarme und nicht gerade ausgesprochen direkte Lenkung zeichnet das Bild eines komfortablen SUVs. Dazu passt eine Feder-Dämpfer-Auslegung, der es gelingt, möglichst viel von schlechten Fahrbahnbelägen zu verschleiern. Wer Fahrfreude mit rasanter Kurvenfahrt gleichsetzt, wird hier nicht glücklich, alle anderen werden früher oder später feststellen, dass Renault insgesamt ein in sich stimmiges, harmonisches Auto auf die Räder gestellt hat.

Sparen kann man sich die 1500 Euro für die um bis zu fünf Grad mitlenkende Hinterachse, es sei denn, man steuert häufig enge Parkhäuser an. Vor allem beim Rangieren macht sich der von 11,4 auf 10,1 Meter reduzierte Wendekreis positiv bemerkbar. Das spürbare gegensinnige Einschlagen zur Stabilisierung über 80 km/h hingegen dürfte kaum jemand vermissen.

Die Verarbeitung macht einen soliden Eindruck, die Materialauswahl ist durchweg hochwertig. Bequeme Sitze, viel Platz im Innenraum und eine zeitgemäße Gestaltung runden das Bild ab. Gut gelungen ist auch das flott arbeitende Infotainmentsystem, dessen Unterbau Google mit Android Automotive zuliefert. Die Oberfläche, also das, was der Nutzer jeden Tag zu sehen bekommt, wurde zum Teil von Renault selbst entworfen. Hier hat der Konzern in der Vergangenheit schon wesentlich schlechtere Ergebnisse abgeliefert, nie aber bessere.

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Enttäuschend für ein 4,51 m langes Auto ist der knappe Kofferraum. 430 Liter sind es im Austral E-Tech-Hybrid, also gerade einmal 50 Liter mehr als ein gewöhnlicher VW Golf (Test) schluckt. Selbst ein Mégane E-Tech Electric bietet 389 Liter – und ist 31 cm kürzer als der Austral. Etwas besser sieht es in den Austral-Modellen mit Mild-Hybrid aus, hier nennt Renault 500 Liter. Überragend ist das für diese Fahrzeugklasse allerdings auch nicht gerade.

Renault Austral innen (7 Bilder)

Das Austral-Armaturenbrett erinnert stark an den kürzeren Megane E-Tech Electric.

Bei den Händlern in Deutschland steht der Austral ab Dezember. Das Basismodell mit Sechsgang-Schaltgetriebe und 103 kW ist fair eingepreist und auch durch seine umfangreiche Serienausstattung ein gutes Angebot in diesem Segment. Leider schränkt Renault die möglichen Kombinationen aus Antrieb und Ausstattungslinie stark ein. Der von uns gefahrene "E-Tech Full Hybrid 200" kostet mindestens 40.400 Euro, die Spitzenversion nochmals 4000 Euro mehr. Der neue Toyota Corolla Cross liegt finanziell in einem ähnlichen Rahmen.

(mfz)