Wirtschaft empört über Ausweitung der Rundfunkgebühr

Unternehmensverbände kritisieren die "Arroganz" und die "Frechheit" der Ministerpräsidenten, trotz eines Proteststurms die "GEZ-Gebühr" für Internet-PCs abzusegnen und das System des "Zwangs-Pay-TV" auszubauen.

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Unternehmensverbände sind entrüstet über den Beschluss der Ministerpräsidenten, die "GEZ-Gebühr" für Internet-PCs abzusegnen. Dass zunächst eine "Sparversion" von 5,52 Euro pro Monat von Anfang 2007 für alle fällig wird, die bislang kein Radio oder TV angemeldet haben, beruhigt sie kaum. "Es spricht für eine gewisse Arroganz der Politik, wenn sie die berechtigten Proteste der vergangenen Monate einfach so in den Wind schlägt", empört sich der Vorsitzende des Regionalkreises Rhein/Main vom Bundesverband Junger Unternehmer (BJU), Michael Ruiss. Derartige Beschlüsse untergraben seiner Ansicht nach das Vertrauen der Wirtschaft in politische Entscheidungen. Statt die Rahmenbedingungen zu verbessern, würden Unternehmer mit weiteren Belastungen traktiert. Als einzig positiven Aspekt bewertete Ruiss den Plan der Länderchefs, binnen eines Jahres eine Neuregelung der Rundfunkgebühren zu vereinbaren. Er erwarte, dass die zu findende Lösung "eine nutzungsabhängige Bezahlung beinhaltet und die Gebührenzahler spürbar entlastet".

Auch der Bundesverband der Selbständigen (BDS) kritisiert die Entscheidung scharf. Die geringere Gebühr ändere nichts an den Ungereimtheiten und den generellen Kostenbelastungen, so BDS-Präsident Rolf Kurz: "Der Besitz eines Rechners oder eines UMTS-Mobiltelefons hat nichts mit Radiohören zu tun. Diese Geräte dienen der Arbeit und dem Geschäft." Die Aussage, es würden nur diejenigen Unternehmer zur Kasse gebeten, die kein Autoradio angemeldet haben, sei eine zweifelhafte Beschwichtigung. Dienstwagen seien bei Selbständigen und kleinen Mittelständlern nicht die Regel. Laut Kurz kommt "das weitestgehend anerkannte System der öffentlich-rechtlichen Rundfunksender durch diese haarsträubenden Finanzierungsprinzipien in Verruf".

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) forderte nach der Entscheidung ein transparentes und für jedermann nachvollziehbares System der Rundfunkfinanzierung von 2009 an. Ein solches könne preiswerter sein als das bisherige. Die IHK Lippe zu Detmold schlägt deutlichere Worte an. Gegen alle Sachargumente hätten die Länderchefs offenkundig der Begehrlichkeit der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nachgegeben, moniert ihr Hauptgeschäftsführer Axel Martens. "Da wollte man wohl noch schnell mal Kasse machen", lautet seine Vermutung. Angesichts der Tatsache, dass der Staat etwa für die Steuererklärung die Nutzung des Internet erzwinge, sei das Abkassieren eine "Frechheit".

Enttäuschung herrscht auch in der IT-Branche. "Mehr Mut" in der Runde der Länderchefs, in der sich allein der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) für die Aufrechterhaltung des Moratoriums für Internet-Rechner aussprach, hätte sich Bernhard Rohleder gewünscht, Hauptgeschäftsführer des Branchenverbands Bitkom. Nun sei eine "halbherzige Lösung" zustande gekommen, die Freiberufler und den Mittelstand benachteilige und ein "absurdes Finanzierungssystem" aus dem Medien-Steinzeitalter weiter aufrecht erhalte.

Auf den Medientagen in München hatte ZDF-Intendant Markus Schächter dagegen die umfassenden Proteste aus der Wirtschaft abgetan. Die im Prinzip bereits 2004 beschlossene Neufassung der Rundfunkgebühr beträfe nicht 2,5 Millionen Unternehmen, sondern lediglich "38.000 ehemalige Schwarzseher", so der ZDF-Chef. Die monatelange Debatte vor der genauen Festlegung der Abgabe für vernetzte Computer disqualifizierte er als "demagogische Diskussion aus dem Sommerloch".

Nichtsdestoweniger erwärmen sich Vertreter der Öffentlich-Rechtlichen langsam für den Abschied von der Gebührenkoppelung an bestimmte "Rundfunkgeräte". Die von Parteien wie den Grünen oder der FDP ins Spiel gebrachte "Mediengebühr" oder Haushaltsabgabe müsste jedoch "aufkommensneutral" sein, fordert der NDR-Chef Jobst Plog. Soll heißen: ARD und ZDF wollen damit genauso viel Geld in ihre Töpfe bekommen, wie bei der bisherigen gerätebezogenen Abgabe. Jobst bezweifelt daher Berechnungen der Liberalen, wonach eine künftige Mediengebühr bei 10 Euro liegen könnte. Das seien Schätzungen, die jeden Haushalt erfassen und Möglichkeiten zur Befreiung etwa aus sozialen Gründen nicht berücksichtigen würden.

Von der anstehenden Strukturreform erwartet Premiere-Chef Georg Kofler generell keine Auswirkungen auf den deutschen Fernsehmarkt: "Es wird höchstens eine effizientere Inkassoform des Zwangs-Pay-TV geben". Kostensenkungspotenziale gibt es wohl allein beim vielfach geforderten Aus für die GEZ. Statt dem umstrittenen Modell, eine neue Mediengebühr etwa über Finanzämter einziehen zu lassen, brachte der Privatsenderverband VPRT jedenfalls schon einmal die Kabelnetz- oder Satellitenanbieter als Instanzen für die Gebühreneinziehung ins Gespräch. Eingespart werden könnten so rund 300 Millionen Euro. Allgemein hat die heftige Debatte um die Ausweitung der Abgabe dazu geführt, dass die Rolle von ARD und ZDF verstärkt hinterfragt wird. ARD und ZDF würden nur dort gebraucht, urteilten Kommentatoren, wo sie an Qualität und Inhalt eine Leistung liefern, die kommerzielle Anbieter nicht erbringen könnten.

Zu der Diskussion um Rundfunkgebühren für PCs siehe auch:

(Stefan Krempl) / (pmz)