Ver.di zeigt Telekom-Führung die Zähne

Die Stimmung zwischen Gewerkschaft und Telekom ist auf dem Nullpunkt. Kommende Woche sollen Telekom-Mitarbeiter über einen Streik abstimmen.

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Von
  • Martin Murphy
  • dpa

Die Zeichen bei der Deutschen Telekom stehen auf Streik. Bereits ab der kommenden Woche sollen tausende Mitarbeiter bundesweit ihre Arbeit niederlegen und damit den Betriebsablauf umfassend stören. Der Protest richtet sich gegen die geplante Auslagerung von rund 50.000 Beschäftigten in den neuen Geschäftsbereich T-Service, die mit einem Lohnabschlag von neun Prozent und längeren Arbeitszeiten verbunden ist. Auch wenn der Streik aus Sicht der Gewerkschaft ver.di verständlich ist, für die Kunden und den Vorstand um Telekom-Chef René Obermann ist er ein Horrorszenario. Einbußen bei dem Kundendienst, der Störungsbeseitigung und im Neukundengeschäft sind vorprogrammiert.

In fünf Verhandlungsrunden hatten die Tarifparteien vergeblich um einen Kompromiss gerungen, bevor ver.di das nachgebesserte Angebot vom kommissarischen Personalvorstand Karl-Gerhard Eick ablehnte. Am Freitag stimmte die Große Tarifkommission der Gewerkschaft nun einer Urabstimmung zu, die Anfang kommender Woche anlaufen soll. "Wir sind sicher, dass wir die nötige Mehrheit von 75 Prozent erhalten werden", sagte ver.di-Vorstand Lothar Schröder. Dann ist der Weg frei für den ersten Arbeitskampf bei der Deutschen Telekom seit der Umwandlung in eine Aktiengesellschaft vor zwölf Jahren. Für Schröder ist ein Gehaltsverzicht undenkbar. Zudem verweist er auf die "Rekord- Dividende" von 0,72 Euro, die die Aktionäre trotz der Ergebniserosion erhalten haben.

Eick schloss eine Nachbesserung des Tarifangebots aus. "Wir haben uns schon sehr weit bewegt. Der Ball liegt nun im Feld von ver.di." Er forderte ver.di auf, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. "Mit einem Streik lassen sich keine Probleme lösen und auch keine Arbeitsplätze sichern", sagte Eick der dpa-AFX. Er bekräftigte, dass der Konzern offen für neue Gespräche ist. Allerdings müsse noch entschieden werden, ob das Tarifangebot auf der bisherigen Grundlage aufrechterhalten werden könne. Eick kündigte zudem an, wegen der Streiks Schadensersatzansprüche zu prüfen. "Wir sind der Auffassung, dass der Streik rechtlich nicht zulässig ist."

Die Telekom will T-Service nun im Alleingang gründen und hat dabei einen Verkauf von Servicebereichen nicht ausgeschlossen. Trotz möglicher Auswirkungen durch die Proteste hält die Telekom eine Korrektur ihrer Prognose für 2007 nicht für nötig. "Zum jetzigen Zeitpunkt haben wir dazu keine Veranlassung", sagte Eick.

Das Klima zwischen Vorstand und ver.di ist zerrüttet, was sich an der Berufung des neuen Personalvorstands zeigt. Gegen die Stimmen der Arbeitnehmerseite drückte Obermann den Manager Thomas Sattelberger als neuen Verantwortlichen für das Personalressort durch. Sattelberger soll nun Schwung in die festgefahrenen Verhandlungen bringen. Bei seinem früheren Arbeitgeber Continental machte sich der Manager bei Gewerkschaftern einen Namen als "harter Verhandler", der unliebsame Einschnitte gegen alle Widerstände konsequent durchdrückt. Allerdings muss sich Sattelberger erst einmal in die Materie einarbeiten. Eick spricht von einem "gleitenden Übergang"; und der Konzern tut gut daran: Der Personal- und Finanzvorstand Eick ist bei der Arbeitnehmerseite hoch geachtet.

Verlierer der Proteste sind die Kunden der Telekom, die sich mit Einbußen beim Kundendienst abfinden müssen. "Der Betrieb wird weit reichend beeinträchtigt", sagte ein ver.di-Sprecher. Leiden wird darunter auch das DSL-Neukundengeschäft, in dem das Unternehmen zuletzt kräftige Zuwächse verzeichnete. Obermann will mit dem Breitbandgeschäft die Rückgänge in der traditionellen Festnetztelefonie ausgleichen.

Trotz aller Differenzen führt kein Weg an einem Kompromiss vorbei. Denn für die weitere Konzernentwicklung ist eine kooperative Zusammenarbeit von ver.di und Vorstand zwingend nötig. Ohne den Rückhalt der Arbeitnehmer wird Obermann seine langfristig ausgerichtete Strategie, die milliardenschwere Investitionen in den Kauf ausländischer Handy-Anbieter umfasst, nicht umsetzen können. Zudem ist ein besserer Service mit unzufriedenen Mitarbeitern schwer denkbar. Auch ver.di wird sich auf die Telekom zubewegen müssen. Im Umfeld der Gespräche hieß es: "Über kurz oder lang werden wir uns wieder an einen Tisch setzten und dann wieder um einen Kompromiss ringen."

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(Martin Murphy, dpa-AFX) / (vbr)