Frankreich gründet Staatsfonds für Schlüsselindustrien

Die EU dürfe Wettbewerb nicht zum Selbstzweck erheben. Europa müsse schützen und handeln, wenn es nicht dem Antikapitalismus Vorschub leisten wolle, sagte der französische Präsident heute.

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  • dpa

Frankreich gründet einen "Interventionsfonds" zum Schutz von Schlüsselindustrien und plant 175 Milliarden Euro Direktinvestitionen in die Wirtschaft. Auf europäischer Ebene fordert Paris die Bildung einer "Wirtschaftsregierung" der Euro-Länder, um die Interessen der Wirtschaft zu schützen. Er wolle "ganz Europa" für seine Interventionsstrategie gewinnen, sagte Präsident Nicolas Sarkozy heute vor Unternehmern in Annecy-Argonay (Alpen). In der weltweiten Strukturkrise wäre Untätigkeit ein "fataler Fehler".

Der "Interventionsfonds" werde "jedes Mal massiv eingreifen, wenn ein strategisches Unternehmen Eigenmittel benötigt", sagte Sarkozy. "Große französische Konzerne dürfen nicht in fremde Hände geraten, nur weil wir nicht auf die Finanzkrise reagieren." Der Fonds soll mit der Staatsbank CDC vor dem Jahresende geschaffen werden. Am Mittwoch hatte Sarkozy bereits im Europaparlament für die Schaffung von Staatsfonds der EU-Staaten geworben.

"Wir übernehmen befristete Beteiligungen an Unternehmen und sobald die Börse wieder gestiegen ist, machen wir mit ihrem Verkauf einen Gewinn", sagte Sarkozy. Als Beispiel verwies er auf Alstom. Der Staat war 2004 in den insolventen Bahn- und Anlagenbauer eingestiegen und hatte den Anteil nach der Sanierung mit Gewinn wieder verkauft.

"Europa wird sich bewusst, dass es eine wahre Wirtschaftsregierung braucht", sagte Sarkozy. Das sei "selbstverständlich die Euro-Gruppe auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs". Europa benötige eine Handels-, Industrie- und Wirtschaftspolitik. "Fortan wird es mehr Politik geben, denn die Ideologie der Diktatur der Märkte und der staatlichen Ohnmacht ist mit der Finanzkrise gestorben."

Die EU dürfe Wettbewerb nicht zum Selbstzweck erheben und seine Märkte einseitig für Waren aus Staaten öffnen, die unlauteren Umwelt-, Währungs- und Steuerwettbewerb betreiben. "Keine Marktöffnung ohne die Bedingungen der Gegenseitigkeit", sagte Sarkozy. Europa müsse schützen und handeln, wenn es nicht dem Antikapitalismus Vorschub leisten wolle.

Für die französische Wirtschaft kündigte Sarkozy die sofortige Befreiung aller Anlageinvestitionen von der Gewerbesteuer bis zum 1. Januar 2010 an. In den kommenden drei Jahren sollen 175 Milliarden Euro in öffentliche Infrastrukturen investiert werden. Sarkozy nannte insbesondere die Bereiche neue Energien, Hochschulen und Verkehr. Binnen zehn Jahren würden 30 Milliarden Euro in die Internet- und Multimediawirtschaft fließen. Sarkozy ließ aber unklar, ob und wie viel Geld der Staat wirklich über bisher geplante Programme hinaus bereitstellt.

Das zentrale Problem bleibt laut Sarkozy die Kreditklemme. Mehr als jedes dritte mittelständische Unternehmen beklagt, dass die Banken jetzt Darlehen verweigern oder mehr Sicherheiten und höhere Zinsen verlangen. Sarkozy ernannte einen "Kreditvermittler", an den sich die Unternehmen wenden können, wenn die Banken ihnen keine Darlehen gewähren. Premierminister François Fillon wies die Präfekten an, in ihren Départements in Treffen mit Banken und Unternehmen über den Kreditfluss zu wachen.

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(dpa) / (anw)