Von der Kreditklemme zum Börsengang

Vom 1. bis zum 31. Dezember 2009 verraten Meinungsführer aus der Wirtschaft den heise resale-Lesern Tag für Tag, mit welchen Konjunkturerwartungen, Gewinnerwartungen, Wachstumserwartungen, Umsatzerwartungen, Glückserwartungen, Absatzerwartungen, Karriereerwartungen, Markterwartungen, Heilserwartungen, Preiserwartungen, Nachfrageerwartungen der IT-Channel im neuen Jahr 2010 rechnen kann.

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Engelbert Hörmannsdorfer, Chefredakteur BetaFaktor.de

(Bild: BetaFaktor.de)

In Finanzkreisen gibt es ein geflügeltes Wort, wonach so mancher Börsengang eines Unternehmens den Gang zum Insolvenzrichter nur hinausgezögert habe. "Last Exit IPO", sozusagen. Zu "Neuer Markt"-Zeiten soll das öfters der Fall gewesen sein.

Ich befürchte, dass es 2010 zu ähnlichen Situationen kommen dürfte. Denn die Zweitrundeneffekte der Finanzkrise werden nächstes Jahr vor allem beim Mittelstand langsam aber unerbittlich zuschlagen. Wesentlicher Auslöser dürfte die Kreditklemme sein. Selbst Kanzlerin Angela Merkel sah sich genötigt, die Banken und ihre Kreditvergabepolitik öffentlich zu kritisieren – die Kreditklemme müsse gelöst werden!

So traf es kürzlich beispielsweise die (nicht börsennotierte) DyStar Textilfarben GmbH. Auftragslage war gut, Technologie war Weltklasse – aber die Finanzierung der Aufträge konnte nicht mehr durchgeführt werden. Letztendlich rang sich kein Investor durch, die Gesamtfirma zu übernehmen. Teile davon werden wohl überleben, aber trotzdem ist es typisch, wie es einen im Prinzip gesunden Mittelständler treffen kann.

Warum ich Ihnen das erzähle? Falls die Kreditklemme nicht schnellstens gelöst wird, erwarte ich nächstes Jahr eine kleine IPO-Welle. Denn Mittelständler, die sich bislang noch nicht mit der Börse befasst haben, müssen sich nun mit dieser Kapitalmarktquelle beschäftigen – ob sie wollen oder nicht! Vor allem im IT-Sektor erwarte ich etliche IPOs. Denn hier lässt sich – im Gegensatz zum obigen Beispiel DyStar – wenigstens eine Wachstumsstory zimmern. Cloud-Computing, Software- oder Storage-as-a-Service (SaaS), 10-Gigabit-Ethernet, Apple-iPhone-Apps, Virtualisierung, Googles "Chrome"-Betriebssystem – Wachstumsschlagwörter gibt es genug.

Der IT-Channel sollte sich meiner Meinung nach ganz besonders auf harte Verhandlungen mit seinen Banken einstellen. Wer in der 2009er Bilanz trotz hoher Umsätze nur ein Ergebnis in der Nähe der Nulllinie oder gar im roten Bereich abliefert, wird es knallhart spüren, wie dann "Basel II" zuschlagen kann.

Engelbert Hörmannsdorfer
Chefredakteur des Börsenbriefs BetaFaktor.de, München

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