Story: Higgsbi. Ein neues Zeitalter. Kapitel 1

Seite 8: 1.8 Überfall

Inhaltsverzeichnis

Lisa lief hinter Pinja, Mathis und Frank her und überlegte. Während sie den Aufzug ins Erdgeschoss hinunterfuhren nahm Lisa allen Mut zusammen und sagte schließlich: "Herr Dupont, ich will ihnen da nicht hineinreden, aber wäre es nicht besser, erst einmal für sich zu behalten, was sie wissen? Ich meine, solange sich dieser Mitarbeiter in Sicherheit wiegt, wird auch sein Auftraggeber denken, alles läuft normal. Und sie könnten so lange nochmal die Papier-Kommunikation dieses Mitarbeiters genau untersuchen." Mathis lächelte: "Ich wollte nicht mit dem Verdächtigen reden, sondern mit dem Leiter der Produktion, um ihm genau das vorzuschlagen und außerdem nochmal alle Prozeduren mit ihm durchgehen, da wir mehr als bisher mit einem Angriff in nicht allzu ferner Zukunft rechnen müssen." "Ok", stammelte Lisa und kam sich ziemlich blöd vor.

"Wir werden sie übrigens als Mitarbeiter unseres Kunden vorstellen, die die letzte Phase der Produktion begleiten sollen, um den Umgang mit dem Produkt zu lernen", sagte Mathis noch im Aufzug. "Sollten wir dann den Namen des Kunden nicht kennen?", fragte Lisa unsicher. "Nein", gab Mathis fest zurück. "In der Produktion sollte niemand den Namen des Kunden kennen und jeder weiß, dass sie das auch nicht verraten werden. Man wird sie nicht danach fragen. Und falls doch ist ihre Antwort..." "Geheim!", vervollständigten Lisa und Frank den Satz wie aus einem Munde.

Sie fuhren mit einem Auto auf kleinen Straßen Richtung Flughafen, bis sie vor dem Produktionsgebäude, das sie vom Video schon kannten, eine erste Sicherheitskontrolle passieren mussten. "Da ist das ehemalige LHCb Gebäude. Es steht über einem der Kollisionspunkte des LHC, also unseres Beschleunigers", erklärte Mathis. "Wir müssen jetzt ein paar Sicherheitsprüfungen über uns ergehen lassen. Machen sie einfach alles, worum man sie bittet."

Zwei mit Maschinenpistolen bewaffnete Soldaten bewachten ein Tor in der Mauer rings um das Gelände, das zusätzlich mit Stacheldraht und Elektrozaun geschützt war. An jeder Ecke des Geländes stand ein hoher Wachturm, auf denen ebenfalls je zwei Soldaten Wache hielten und offensichtlich auch noch schwerere Waffen zur Verfügung hatten. Lisa und Frank sollten ihre Personalausweise am Tor zurücklassen, doch Mathis wies die Wachleute an, dass deren Identität geheim bleiben müsse und nahm die Ausweise selbst an sich. Beide bekamen Besucherausweise. Bis zum Betreten des Gebäudes waren noch zwei weitere Sicherheitschecks zu absolvieren, bei denen die beiden nach Waffen untersucht wurden und wo sie schließlich alle elektronischen Geräte, Portemonnaies und Uhren zurücklassen mussten. Nur Mathis durfte sein Handy behalten.

"Wo ist James", fragte Mathis den Sicherheitsbeamten. "Er hat gerade Dienst und ist im Kontrollraum", war dessen Antwort. Mathis runzelte die Stirn wie Lisa auffiel. Drinnen im Sicherheitsbereich nahm Mathis den Hörer eines Telefons und wählte eine Nummer: "James, kannst du bitte mal kurz hochkommen? Ich muss mit dir reden. Unter vier Augen." Nach kurzem Warten und ernster werdender Miene sagte Mathis: "James, es ist wichtig", und nach nochmaligem Zuhören schließlich: "Also gut, ich komme runter." Mathis legte auf und sagte zu Pinja: "Er sagt, er kann gerade nicht weg. Ich gehe runter. Wir gehen jetzt zum Fahrstuhl und du zeigst dann Lisa und Frank den Bereich hier oben." Lisa sah Mathis aber an, dass er innerlich nicht so gelassen war.

Als der Fahrstuhl ankam, war drinnen schon ein junger, recht großer Mann um die 30 mit schmalem Gesicht und ziemlich ungepflegtem Äußeren. "Was ist los?", fragte der Mann knapp und sah von einem Gesicht zum nächsten. "James, bist du also doch gekommen. Darf ich dir Frau Aquitaine und Herrn Baumgartner vorstellen, die sich über den Stand der Dinge informieren wollen?", überging Mathis den ungelenken Empfang von James Wentworth, dem Leiter der Produktion. Erst nachdem sie Hände geschüttelt hatten, fuhr Mathis fort: "Wir müssen dringend reden. Pinja wird die beiden erst einmal alleine durch die Produktion führen. Können wir in dein Büro?" Lisa sah einen Gesichtsausdruck auf James Gesicht, den sie nicht richtig einordnen konnte. Verunsichert? Nein, eher erschrocken. "Können wir das nicht gleich hier besprechen?", fragte James unsicher mit einem flüchtigen Blick auf seine Uhr. Mathis sah ihn unwillig an und mit einem Blick zu Lisa und Frank sagte er: "Hier ist nicht der richtige Ort", und jeder, außer James, hätte verstanden, dass er das nicht vor Kunden besprechen wollte.

Als James immer noch da stand und sich nicht regte, bat Mathis Pinja, die Besucher schon einmal in den Präsentationsraum zu führen. Lisa drehte sich noch einmal zu ihnen um und sah, wie Mathis James etwas ins Ohr flüsterte, während dieser einen eher abwesenden als überraschten Eindruck machte. Plötzlich fielen Schüsse. Draußen war ein regelrechtes Gefecht zu hören und Mathis duckte sich und schrie: "Geht in Deckung!" Aus dem Lautsprecher an der Decke klang eine Funkgerätstimme: "Wir werden angegriffen. Mindestens 40 eher 60 bewaffnete Angreifer. Prozedur eins wird eingeleitet." Eine Fensterscheibe in der Halle ging zu Bruch. Immer mehr Schüsse waren zu hören.

Lisa, Frank und Pinja robbten zurück in den Gang zu Mathis, der sie anwies: "Sofort in den inneren Sicherheitsbereich! Hier sind wir nicht sicher! Prozedur eins läuft gleich an." Ein weiteres Fenster ging zu Bruch. Eine Sirene begann zu heulen. Sie duckten sich auf den Boden während James auf den Fahrstuhlknopf hämmerte. Die Türe öffnete sich und alle krabbelten hinein. Im Fahrstuhl tippte Mathis eine Nummer und rief in den Hörer: "Mathis hier. Schwerer Angriff auf Production! Prozedur eins ist initiiert. Wir müssen Prozedur zwei vorbereiten! Informiere alle notwendigen Stellen!" Nachdem er noch kurz eine undichte Stelle erwähnt und dann aufgelegt hatte und sie im Fahrstuhl nach unten fuhren, wandte er sich an Lisa und Frank. "Ich hätte ihnen sicher nicht verschwiegen, dass ihr Job hier auch gefährlich werden könnte. Aber dass sie jetzt bei diesem Besuch in so eine Lage kommen, tut mir wirklich leid. Pinja wird mit ihnen in einen der Schutzräume unten gehen. Von ihnen wollen die ja nichts, dort sind sie sicher."

"Was ist Prozedur zwei?", fragte Lisa, die immer noch einen erstaunlich kühlen Kopf bewahrte, während Frank die Panik ins Gesicht geschrieben stand. "Geheim!", schnellte James hervor. Mathis sah Lisa an und wusste inzwischen, dass sie nicht nur aus Neugier fragte, sondern einem Gedanken folgte und sagte schließlich: "Wir fliegen das Produkt aus einem Silo des Gebäudes mit einer unbemannten Raketen-Drohne zu einem fest programmierten sicheren Ort." "Und wenn sie wie Löwen jagen?", fuhr Lisa zielstrebig fort. Alle blickten sie verständnislos an. "Löwen sind für einige ihrer Beutetiere zu langsam. Ein Teil der Löwen macht daher viel Lärm beim Jagen und treibt ihre Beute in die gewünschte Richtung, in der weitere Löwen versteckt liegen und nur auf die Beute warten müssen. Was ist, wenn das genau jetzt passiert? Was ist, wenn der Angriff nur lautes Löwengebrüll ist, um ihnen die Beute in die Hände zu spielen, an die sie selbst gar nicht dran kämen? Was ist, wenn die Angreifer Prozedur zwei kennen?"

Die Fahrstuhltür öffnete sich und sie gingen hinaus, rannten aber nicht weiter, als Mathis zögerlich vor dem Fahrstuhl stehen blieb. "Die Rakete fliegt an einen sicheren Ort. Dass dieser umprogrammiert wurde, ist ausgeschlossen. Aber sie haben recht: Prozedur zwei ist nur absolut sicher, wenn sie geheim geblieben ist. Das wissen wir jetzt nicht mehr. Es ist zwar unwahrscheinlich, dass jemand es schaffen könnte, die Drohne zu stehlen, aber jemand, der in der Lage ist, mit einem Heer von Bewaffneten mitten in Europa aus dem Nichts aufzutauchen, der könnte auch eine Boden-Luft-Rakete dabeihaben, um das Paket zu zerstören", sagte Mathis nachdenklich. "Gibt es keine andere Möglichkeit, das Produkt in Sicherheit zu bringen?", fragte jetzt Frank, der sich wieder etwas gefasst hatte. Die Drohne ist sofort startklar. "Ich sehe nicht, warum wir von Prozedur zwei abweichen sollten", sagte James energisch und drängte weiter zu gehen. Oben hörte man immer noch Schüsse, ohne den Eindruck zu haben, dass sie näher kamen. "Seit heute wissen wir, dass mehr Informationen nach draußen kamen, als wir dachten. Es dauert nur fünf Minuten, um Prozedur zwei zu realisieren. Lasst uns also noch hören, ob die Löwen nur brüllen, oder wirklich eindringen", sagte Mathis und lief jetzt langsam los in Richtung des Kontrollraums.

Lisa, Pinja und Frank liefen den Gang in die andere Richtung zum Schutzraum, schreckten aber herum, als sie hinter sich einen Schrei und ein Würgen hörten. James hielt Mathis im Würgegriff seines linken Arms und drückte ihm mit der rechten Hand einen Schraubenzieher an die Halsschlagader. "Du also auch", stammelte Pinja. "Wir werden Prozedur zwei durchführen. So oder so. Tut mir leid, dass das jetzt nur mit Gewalt geht, aber wir werden Prozedur zwei ausführen! Freilich mit einer kleinen Modifikation in unserem Sinne", ächzte James, dessen Schraubenzieher bedrohlich tief in Mathis bereits blutigen Hals drückte. Mathis war klar, dass Prozedur zwei nicht mehr sicher war. "Ich werde den Code niemals bestätigen", röchelte er und seine Augen begannen sich zu verdrehen, wohl eher wegen des festen Würgegriffs. "Das brauchst du auch nicht. Prozedur zwei funktioniert jetzt auch ohne dich, nachdem du freundlicherweise den Notruf schon nach draußen abgesetzt hast, dürften die Bosse Prozedur zwei problemlos freigeben. Ihr drei geht jetzt schön da rein", deutete James auf die Tür eines Technikraums. "Und du kommst mit, falls wir dich doch noch brauchen." James erhöhte den Druck des Schraubenziehers noch einmal, bis sie ihm schließlich gehorchten und sich in dem kleinen Raum einsperren ließen. Draußen hörten sie noch einmal Mathis: "Du wirst damit nicht durchkommen. Die Leute im Kontrollraum werden sich nicht erpressen lassen!" "Denkst du, wir sind dumm?", fragte James jetzt aus größerer Entfernung für die drei nur noch schwach hörbar. "Wir sind vorbereitet. Wir haben einen Plan. Im Kontrollraum ist nur Timothy." Lisa und Frank konnten sich denken, dass Timothy im ersten Stock im zweiten Zimmer Nord-West wohnte.