Elektromobilität und Verkehrswende: Spitzenrunde in Berlin, Grüne machen Druck

"Mobilitätsgipfel": Im Kanzleramt geht es um Autobranche, Elektromobilität und Klimafolgen des Verkehrs. Er wird wohl vorwiegend Meinungsaustausch bleiben.

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Ein großes Thema seit Jahren ist der Ausbau der Ladeinfrastruktur.

(Bild: Christoph M. Schwarzer)

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Kanzler Olaf Scholz (SPD) hat für heute zu einem Spitzengespräch zur Zukunft der Autobranche geladen. Am ersten Gespräch der sogenannten Strategieplattform "Transformation der Automobil- und Mobilitätswirtschaft" im Kanzleramt sollen Vertreter von Wirtschaft, Arbeitnehmern, Wissenschaft, Ländern und Kommunen teilnehmen. Es dürfte vor allem um einen Meinungsaustausch gehen.

Vor dem Spitzentreffen zur Autobranche im Kanzleramt hat Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge Fortschritte bei der Sanierung von Straßen und Schienen sowie bei der Elektromobilität verlangt. "Gut, dass die Bundesregierung einen Mobilitätsgipfel macht, denn beim Klimaschutz im Verkehrssektor herrscht an viel zu vielen Stellen Stillstand", sagte Dröge. "Um die Klimaziele zu erreichen, muss der Verkehrssektor nun endlich seinen gerechten Beitrag leisten." Dafür brauche es mutige Schritte und klare Prioritäten. Dröge forderte Planungsbeschleunigung bei der Brückensanierung und dem Ausbau der Schieneninfrastruktur sowie mehr Tempo beim Ausbau der Ladesäuleninfrastruktur für E-Autos.

Im Vorfeld wird Kritik an der gewissermaßen geschlossenen Veranstaltung laut, so nennt der Verkehrsclub Deutschland (VCD) das Treffen einen "Autogipfel", weil die Automobilwirtschaft überrepräsentiert sei. Der VCD betont, es gebe ein "Bedürfnis der Menschen nach gesunder, platzsparender und umweltfreundlicher Mobilität". Daher seien der öffentliche Verkehr mit Bus, Bahn, Sharing-Angeboten sowie Rad- und Fußverkehr stärker zu berücksichtigen. Allianz pro Schiene meint, dass die Politik "die Transformation der Mobilitätswirtschaft nicht im Großen und Ganzen denkt, sondern Mobilität mit E-Auto gleichsetzt. Die Verkehrswende ist aber mehr als eine Antriebswende beim Auto." Auch Greenpeace erhofft sich kaum eine Wirkung: "Ich habe schon so viele 'Autogipfel' verfolgt, die ohne Ergebnis, ohne Wirkung zu Ende gegangen sind", sagte der deutsche Co-Geschäftsführer der Umweltschutzorganisation, Martin Kaiser der dpa.

IG-Metall-Chef Jörg Hofmann fordert mehr Tempo beim Ausbau der E-Ladesäulen. Er sagt "Deutschland muss mit Hochdruck die Rahmenbedingungen für einen erfolgreichen Hochlauf der Elektro-Mobilität schaffen. Hier gilt es vor allem, die Ladeinfrastruktur schneller auszubauen, Rohstoffversorgung und Wertschöpfung zu sichern und ausreichend Batteriezell-Fertigung in Deutschland und Europa anzusiedeln".

Die Kommunalwirtschaft mahnt den Ausbau des Elektroauto-Ladenetzes insbesondere auf dem Land an. "Gerade der Ausbau der Ladeinfrastruktur in dünn besiedelten Gebieten ist Voraussetzung für den Durchbruch der Elektromobilität und von zentraler Bedeutung für die Verkehrswende", sagte der Hauptgeschäftsführer des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU), Ingbert Liebing und begrüßt, dass Autohersteller selbst den Ausbau der Ladeinfrastruktur vorantreiben. "Für ein engmaschiges Ladenetzwerk brauchen wir die Zusammenarbeit aller Beteiligten und vor allem in dünn besiedelten Gebieten noch erhebliche Investitionen."

Bisher seien es überwiegend die Stadtwerke und kommunalen Unternehmen gewesen, die in diesen Gebieten Engagement gezeigt hätten. Eine schnelle und erfolgreiche Verkehrswende könne nicht ausschließlich auf Rosinenpickerei aufgebaut werden, also der Errichtung profitabler Schnellladesäulen entlang von Autobahnen. Laut VKU sind mehr als die Hälfte aller Ladesäulen in Deutschland in kommunaler Hand.

Der Umstieg auf E-Autos wird nach einer Verbraucherumfrage der Unternehmensberatung Deloitte von steigenden Kosten und fehlender Infrastruktur gebremst. Trotz wachsender Modellauswahl würden nur 16 Prozent der Befragten beim nächsten Autokauf ein batterieelektrisches Auto wählen. Ende 2021 lag der Anteil demnach bei 15 Prozent. Niedrigere Betriebskosten und staatliche Kaufprämien seien wesentliche Argumente für den Kauf eines E-Autos. "Nun schießen die Stromkosten in die Höhe, während die Förderung sukzessive zurückgefahren wird und 2025 sogar ausläuft. Das wird dazu führen, dass künftig weniger Elektroautos verkauft werden", sagt die Agentur.

Als größte Bedenken führten Verbraucher die Reichweite an: Mit 57 Prozent wurde sie am häufigsten genannt, gefolgt von einer fehlenden öffentlichen Ladeinfrastruktur (47 Prozent), der Ladezeit und der nicht vorhandenen Lademöglichkeit im eigenen Zuhause (je 45 Prozent). 75 Prozent der in Deutschland Befragten würden ihr E-Auto am häufigsten zu Hause laden. Dieser Wunsch sei im Vergleich zum Vorjahr (70 Prozent) gestiegen, obwohl Lademöglichkeiten gerade in dicht besiedelten Städten fehlten, fanden die Berater von Deloitte weiter heraus.

Der Verkehrsbereich hinkt beim Klimaschutz in Deutschland deutlich hinterher. Über den Umgang damit gibt es in der Bundesregierung Differenzen zwischen Grünen und FDP. Das verzögert auch das geplante Klimaschutzsofortprogramm, das nächste Schritte zur Erreichung der deutschen Klimaziele aufzeigen soll. Vor allem zwischen FDP und Grünen gibt es auch Streit darüber, ob beim schnelleren Ausbau der Infrastruktur die Straße oder die Schiene bevorzugt werden soll.

Beim Treffen im Kanzleramt steht laut Bundesregierung das Ziel der Klimaneutralität und der Erhalt von Wertschöpfung und Beschäftigung in Deutschland im Mittelpunkt. Klimaneutralität bedeutet, dass nur so viele Treibhausgase ausgestoßen werden, wie auch wieder gebunden werden können. Deutschland will dieses Ziel bis 2045 erreichen.

(fpi)