Siemens-Manager soll bis zu 20 Millionen Euro Schadensersatz zahlen [Update]

Das ehemalige Siemens-Management um den langjährigen Siemens-Chef Heinrich von Pierer muss sich in dem Schmiergeldskandal und in der Affäre um die Finanzierung der Parallelgewerkschaft AUB auf hohe Schadensersatzforderungen gefasst machen.

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Von
  • Jürgen Kuri

Das ehemalige Siemens-Management um den langjährigen Siemens-Chef Heinrich von Pierer muss sich auf hohe Schadensersatzforderungen gefasst machen, berichtet die Süddeutsche Zeitung unter Berufung auf Informationen aus Konzernkreisen. Dem Aufsichtsrat von Siemens lägen umfangreiche juristische Stellungnahmen vor, in denen im Detail beschrieben ist, welche Ex-Vorstände wegen der verschiedenen Affären auf Schadensersatz verklagt werden könnten.

Im Fall der Arbeitsgemeinschaft Unabhängiger Betriebsangehöriger (AUB) soll die vom Kontrollgremium eingeschaltete Kanzlei Hengeler Müller erklärt haben, Siemens könne bei Johannes Feldmayer, von 2003 bis 2007 Mitglied des Zentralvorstands, bis zu 20 Millionen Euro geltend machen. In der Affäre geht es um die verdeckte Finanzierung der arbeitgeberfreundlichen Parallelgewerkschaft AUB durch den Siemens-Konzern. Seit Mitte der Achtzigerjahre hatte Siemens den Aufbau der AUB als Gegenorganisation zur IG Metall gefördert. Anfang Juli hatte die Staatsanwaltschaft Anklage erhoben gegen den damaligen Chef der Arbeitnehmergruppe Wilhelm Schelsky sowie den ehemaligen Siemens-Vorstand Johannes Feldmayer.

Schelsky werden Steuerhinterziehung, Beihilfe zur Untreue und Verstöße gegen das Betriebsverfassungsgesetz vorgeworfen. Während der ehemalige AUB-Chef seit Februar 2007 im Gefängnis sitzt, wurde Feldmayer nach einwöchiger Untersuchungshaft gegen Kaution entlassen, nachdem er umfassend ausgesagt hatte. Siemens hatte ihn danach suspendiert und seinen Vertrag nicht mehr verlängert. Feldmayer soll seit 2001 an der heimlichen Finanzierung der AUB beteiligt gewesen sein. In Untersuchungshaft hatte der Manager eingeräumt, über den eigentlichen Verwendungszweck der Schelsky-Honorare im Bilde gewesen zu sein.

Im Falle AUB liege bei Feldmayer vermutlich Vorsatz vor, heißt es nach Angaben der Süddeutschen Zeitung in den Berichten der Kanzlei. Da springe keine Versicherung ein, die für das Spitzenmanagement abgeschlossene Haftpflichtversicherung dürfte da kaum greifen. Auch Schelskys soll auf Schadensersatz verklagt werden. Schadensersatzforderungen gegen weitere ehemalige Siemens-Manager seien zudem je nach Ergebnis des Prozesses um die AUB-Affäre ebenfalls möglich.

Zudem berät der Siemens-Aufsichtsrat am heutigen Dienstag im Zusammenhang mit dem milliardenschweren Schmiergeld-Skandal, in dem gerade der erste Beschuldigte zu einer Bewährungs- und Geldstrafe verurteilt wurde, über weitere Schadensersatzforderungen gegen das frühere Management. Insgesamt geht es im größten Korruptionsskandal der deutschen Wirtschaftsgeschichte um 1,3 Milliarden Euro an dubiosen Zahlungen, die vermutlich als Bestechungsgeld im Ausland eingesetzt wurden.

Nach Informationen aus Branchenkreisen drohen insgesamt zehn ehemaligen Führungskräften entsprechende Forderungen, darunter auch dem früheren Siemens-Chef Heinrich von Pierer selbst, gegen den die Staatsanwaltschaft wegen einer Verletzung der Aufsichtspflicht ermittelt. Das Unternehmen lastet der früheren Siemens-Spitze erhebliche Versäumnisse während ihrer Amtszeit an. So sollen sie Hinweisen auf schwarze Kassen im Unternehmen nicht konsequent genug nachgegangen sein. Siemens selbst hatte stets betont, immer mögliche Schadensersatzansprüche zu prüfen. Nach einem Bericht des Spiegel wollen sich die ehemaligen Siemens-Zentralvorstände gegen etwaige Forderungen zur Wehr setzen, wie ihre Anwälte angekündigt hätten.

[Update]:
Mittlerweile gab Siemens bekannt, dass der Aufsichtsrat Schadensersatz von elf ehemaligen Mitgliedern des früheren Zentralvorstands verlangt: "Das Unternehmen begründet die Ansprüche mit der Verletzung ihrer Organisations- und Aufsichtspflichten vor dem Hintergrund des Vorwurfs illegaler Geschäftspraktiken und umfangreicher Bestechungen im ausländischen Geschäftsverkehr in den Jahren 2003 bis 2006 und den daraus folgenden finanziellen Belastungen des Unternehmens", heißt es bei Siemens zu den Forderungen.

Betroffen von den Forderungen sind nach den Angaben von Siemens in der Schmiergeldaffäre die ehemaligen Siemens-Chefs Klaus Kleinfeld und Heinrich v. Pierer sowie die Vorstände Johannes Feldmayer, Thomas Ganswindt, Edward G. Krubasik, Rudi Lamprecht, Heinz-Joachim Neubürger, Jürgen Radomski, Uriel Sharef und Klaus Wucherer. In der AUB-Affäre will Siemens neben Johannes Feldmayer auch Günter Wilhelm für "die Schäden in Anspruch nehmen, die durch die Zahlungen an Herrn Wilhelm Schelsky oder an dessen Firmen entstanden sind". Angaben über die Höhe der Forderungen machte Siemens bislang nicht.

Siehe dazu auch:

*Affäre bei Siemens "Fass ohne Boden" (jk)