Ex-Wettbewerbskommissar freut sich über Microsoft-Urteil
Karel van Miert, unter dessen Ägide die EU-Kommission ihr Verfahren gegen Microsoft aufgenommen hat, sieht das Urteil als für die IT-Branche sehr bedeutend an. Auch die Free Software Foundation Europe und das Samba-Projekt freuen sich über das Urteil.
Der frühere EU-Wettbewerbskommissar Karel van Miert ordnet das heute gegen Microsoft ergangene Urteil des EU-Gerichts erster Instanz als das für die Wettbewerbspolitik bei neuen Technologien "wahrscheinlich wichtigste" ein, das es bis jetzt gegeben hat. "Wenn die Richter hier nicht mitgemacht hätten, würde das bedeuten, dass die europäische Wettbewerbspolitik erheblich geschwächt worden wäre", sagte van Miert in einem Interview mit dem Deutschlandfunk. Unter seiner Ägide war 1998 das EU-Kartellverfahren gegen Microsoft in die Wege geleitet worden.
Van Miert sieht das Urteil als richtungsweisend für die IT-Branche an. "Wenn die Richter nicht den Beschluss der Kommission bestätigt hätten, dann würde das bedeuten, dass die Kommission in diesem Bereich in Zukunft ihre Arbeit eigentlich nicht mehr richtig machen kann." Nun aber habe Microsoft keine Ausweichmöglichkeit mehr. "Endlich muss Microsoft sich mal daran halten. Und wenn nicht, dann muss die Kommission auch wieder die notwendigen Schlussfolgerungen daraus ziehen, und das heißt auch höhere Bußgelder", meint van Miert.
Die Frage nach dem Schutz geistigen Eigentums sei mit dem Urteil richtig beantwortet worden, erläutert van Miert. Die EU-Kommission habe seines Erachtens richtig gehandelt, indem sie verdeutlichte, dass auch Microsoft als Quasi-Monopolunternehmen nicht über den Gesetzen stehe. Microsoft habe jahrelang "immer wieder mit einer Armee von Anwälten, Lobbyisten und so weiter versucht, das immer für sich aufzuschieben". Man dürfe froh darüber sein, dass die EU-Kommission hier "richtige Arbeit gemacht hat, weil: In Amerika hat man das nicht gemacht".
Auch Georg Greve, Präsident der Free Software Foundation Europe (FSFE), meint in einer Stellungnahme, Microsoft könne sich nun nicht mehr über das Gesetz stellen. Den heutigen Tag habe Microsoft seit fast einem Jahrzehnt aufschieben können. Dank der Beharrlichkeit und ausgezeichneten Arbeit der Kommission sei die Taktik in Europa nicht aufgegangen. FSFE-Jurist Carlo Piana sieht das Urteil als einen "Meilenstein für den Wettbewerb". Auch das Samba-Team sieht sich der EU-Kommission gegenüber zu Dank verpflichtet. Millionen Nutzer weltweit würden von ihrer Arbeit profitieren, freut sich Jeremy Allison vom Samba-Projekt über einen seiner Meinung nach "sehr wichtigen Tag": Sein Team erwarte, dass es nun mit Zugang zu Informationen, die zur Interoperabilität wichtig seien, besser mit Microsoft konkurrieren könne.
"Unsere Mitglieder sind sehr besorgt über die Auswirkungen dieses Falles für den Schutz geistigen Eigentums in Europa", zeigte Jonathan Zuck, Präsident der Association für Competitive Technology (ACT), erschüttert über das Urteil. Der Verband vertritt vor allem kleine und mittelständische US-Softwarehersteller und unterstützte die Microsoft-Klage. "Das ist eine völlig willkürliche Behandlung des geistigen Eigentums von Microsoft", sagte Zuck. "Dies ist ein sehr schlimmer Präzedenzfall für mögliche Investitionen von kleineren Unternehmen in Europa."
Wichtige Microsoft-Konkurrenten begrüßten das Urteil nachdrücklich. "Microsoft muss das jetzt umsetzen", sagte Thomas Vinje, Prozessvertreter des European Committee for Interoperable Systems (ECIS) laut Mitteilung (PDF-Datei). Der Organisation gehören unter anderem Adobe Systems, Corel, IBM, Nokia, Opera, Oracle, RealNetworks und Sun Microsystems an. "Dieses Urteil schafft Prinzipien für das Verhalten von Firmen in einer Reihe von Fällen und in einer Reihe von Märkten." Dies sind "Verkehrsregeln, die gut für den europäischen Verbraucher sind".
Microsoft-Justiziar Brad Smith sagte heute, sein Unternehmen müsse erst einmal das umfangreiche Urteil lesen, bevor es über weitere Schritte entscheide. "Wir sind auf weitere Bemühungen eingestellt, die heutige Entscheidung umzusetzen und sie zu respektieren." In der abschließenden Pressekonferenz heute Nachmittag in Brüssel verwies er noch einmal darauf, dass Unternehmen wie Google oder IBM in manchen Bereichen ebenfalls monopolartige Marktanteile besäßen. Es scheine, als gebe es in der IT-Branche eine Tendenz für Unternehmen mit einer erfolgreichen Technik, eine monopolartige Stellung einzunehmen.
Die EU-Kommission hat sich nach Meinung des Gerichts bei der Beurteilung der Schwere und Dauer des Verstoßes und bei der Festlegung des Bußgeldes nicht geirrt. Daraus folgt, "dass das Argument von Microsoft, das Bußgeld sei überhöht und unangemessen, zurückgewiesen werden muss", heißt es in dem Urteil. Microsoft muss Details offenlegen, damit Programme anderer Anbieter auf Arbeitsgruppenrechnern mit Windows vereinbar sind. Microsoft hatte das mit dem Recht auf geistiges Eigentum abgelehnt. Darin sieht das Gericht unter den gegebenen Umständen einen Missbrauch einer dominanten Marktposition und setzt dem Recht auf geistiges Eigentum Grenzen.
Für einen solchen Missbrauch müssen drei Bedingungen erfüllt sein. "Erstens, die Weigerung (für Offenlegung) bezieht sich auf ein Produkt oder eine Dienstleistung, die untrennbar mit der Ausübung einer bestimmten Aktivität auf einem benachbarten Markt verbunden ist; zweitens, die Weigerung ist derart, dass sie einen effektiven Wettbewerb auf diesem benachbarten Markt ausschließt; und drittens, die Weigerung verhindert das Erscheinen neuer Produkte, für die es eine potenzielle Nachfrage der Verbraucher gibt." Diese Bedingungen seien im Fall von Microsoft erfüllt.
Die Kopplung des Media-Players mit Windows ist unzulässig, weil sie zu einer Schwächung des Wettbewerbs führt. " (...) es ist klar, dass, der Kopplung geschuldet, der Windows Media-Player eine beispiellose Präsenz auf Kundencomputern weltweit genoss, weil er automatisch ein Niveau der Marktdurchdringung erreichte, das dem des Betriebssystems Windows entsprach." Diese Marktdurchdringung habe der Media-Player erreicht, ohne sich mit konkurrierenden Produkten und ihren Vorteilen messen zu müssen.
Die Entscheidung der Kommission, einen unabhängigen Treuhänder mit weitreichenden Kompetenzen einzusetzen, wurde annulliert. Die Kommission habe nicht die Befugnis, " (...) Microsoft zu zwingen, einem unabhängigen, überwachenden Treuhänder Zugang zu gewähren, der mit Befugnissen ausgestattet ist, die die Kommission selbst nicht an dritte Parteien übertragen darf".
Zum EU-Kartellverfahren gegen Microsoft und zu Konflikten um Windows Vista siehe auch:
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- EU-Gericht: Microsoft verhält sich wettbewerbswidrig
- Microsoft antwortet im Streit mit EU-Kommission
- Bericht: EU-Kommission könnte Microsofts Lizenzeinnahmen stark beschneiden
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