Zeitung: Siemens im Korruptionsskandal vor Einigung mit Behörden

Noch in diesem Jahr will sich das Unternehmen mit der US-Börsenaufsicht und den US-Behörden über ein Strafmaß einigen. Auch die Gespräche mit deutschen Behörden stehen laut einem Zeitungsbericht offenbar vor dem Abschluss.

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  • dpa

Der Elektrokonzern Siemens steht im milliardenschweren Korruptionsskandal offenbar vor einer Einigung mit den Behörden in den USA und Deutschland. Noch in diesem Jahr wolle sich das Unternehmen mit der US-Börsenaufsicht Securities and Exchange Commission (SEC) und den US-Behörden in dem April 2007 eingeleiteten Verfahren über ein Strafmaß einigen, berichtet die Süddeutsche Zeitung. "Wir hoffen auf eine Einigung mit der SEC noch vor Weihnachten", zitierte die Zeitung aus dem Aufsichtsrat. Die Verhandlungen mit der SEC seien weit gediehen, das Kontrollgremium halte sich für eine Sondersitzung noch vor Weihnachten bereit.

Ein Siemens-Sprecher wollte den Bericht nicht kommentieren und verwies auf Aussagen von Konzern-Chef Peter Löscher, der kürzlich bereits erklärt hatte, die Verhandlungen mit amerikanischen und deutschen Behörden seien "auf der Zielgeraden, aber noch nicht am Ziel". In dem Korruptionsskandal geht es um 1,3 Milliarden Euro an Schmiergeldzahlungen, die zur Erlangung von Aufträgen im Ausland eingesetzt worden sein sollen. Auch die Gespräche mit deutschen Behörden stünden offenbar vor dem Abschluss, heißt es in dem Bericht. Siemens hatte sich für den angestrebten Vergleich mit den Behörden in den USA und Deutschland vorsorglich eine Milliarde Euro zurückgelegt. Schon bisher hat der Konzern für die Aufarbeitung angesichts von Strafen, Beraterkosten und Gewinnabschöpfung rund 1,5 Milliarden Euro ausgegeben.

In dem Bericht heißt es weiter, Siemens-Aufsichtsratschef Gerhard Cromme habe seine Kollegen nach Angaben aus Unternehmenskreisen bereits gebeten, sich für eine Sondersitzung vor Weihnachten bereitzuhalten, um einer Einigung mit der SEC sofort zustimmen zu können. Sollte es bis Weihnachten doch nicht zu einer Übereinkunft mit der SEC kommen, sei spätestens Anfang 2009 mit einer Lösung zu rechnen. Das Ergebnis könne dann der Hauptversammlung der Siemens-Aktionäre am 27. Januar präsentiert werden. In Aufsichtsratskreisen hieß es dazu heute, auch die Rückstellung deute ja bereits darauf hin, dass eine Einigung in greifbare Nähe gerückt sein könnte.

Um eine Hängepartie zu vermeiden, habe Konzernjustitiar und Verhandlungsführer Peter Solmssen, der dem Vorstand angehört, nach Angaben aus dem Unternehmen seine Bemühungen zuletzt noch einmal deutlich verstärkt, berichtete die Zeitung. Ziel sei ein Vergleich noch vor dem Amtsantritt des neuen US-Präsidenten Barack Obama am 20. Januar. Ein Scheitern in letzter Minute könne gravierende Folgen haben, denn schon jetzt gelte als sicher, dass SEC-Chef Christopher Cox und der Chefprüfer der Behörde, Conrad Hewitt, ihre Posten im Januar räumen. Eine Personalrochade an der Spitze und die Neuwahl von SEC-Gremien könne die Einigung bis zum Sommer verzögern, heißt es laut Süddeutscher Zeitung in Konzernkreisen.

Fortschritte gebe es nach Angaben aus dem Unternehmen auch bei den Verhandlungen mit der Münchner Justiz, die nach dem früheren Telekommunikationsbereich Com noch in mehreren früheren Sparten des Konzerns ermittelt. Die Gespräche über Gewinnabschöpfungen wegen Korruptionszahlungen in fünf Konzernbereichen in Deutschland stünden vor dem Abschluss, hieß es. Es gebe Gespräche mit Siemens, bestätigte Oberstaatsanwalt Anton Winkler. Zum möglichen Ergebnis oder dem zeitlichen Ablauf einer Einigung wurde aber nichts bekannt.

Der Siemens-Betriebsrat hat unterdessen eine neue Spitze. Nach dem kürzlich angekündigten Rückzug von Gesamtbetriebsratschef Ralf Heckmann hat das Gremium seinen Stellvertreter Lothar Adler zum höchsten Arbeitnehmervertreter gewählt, wie dieser heute bestätigte. Neue Stellvertreterin wird die Hamburger Betriebsrätin Birgit Steinborn. Sie soll Adler dem Bericht zufolge nach einer mindestens zweijährigen Übergangszeit an der Spitze der Arbeitnehmervertretung ablösen. Steinborn wäre dann die erste Frau in dieser Position in der Geschichte des Technologiekonzerns, hieß es in der Süddeutschen Zeitung.

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(dpa) / (anw)