Bochumer Nokia-Werk soll 134 Millionen Euro Betriebsgewinn erzielt haben

Der Nokia-Standort Bochum habe "eine gewaltige Summe auf der hohen Kante", schreibt "Capital". Die Erneuerung des Werks mit Verdoppelung der Produktivität war nach internen Nokia-Papieren von der Werksleitung für das erste Halbjahr 2008 konzipiert.

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  • dpa

Der finnische Handy-Konzern Nokia hat nach Informationen des Wirtschaftsmagazins Capital mit der Handy-Produktion im Werk Bochum im Jahr 2007 ein Betriebsergebnis vor Zinsen von 134 Millionen Euro erzielt. Damit erwirtschaftete jeder der 1500 Mitarbeiter in der Produktion einen Gewinn von 90.000 Euro. Wie Capital unter Bezug auf vertrauliche Dokumente weiter meldet, schaffte die deutsche Nokia GmbH mit den Standorten in Bochum, Ulm, Düsseldorf, München und Frankfurt sogar ein Betriebsergebnis nach Zinsen von 246 Millionen Euro.

Der vom Land Nordrhein-Westfalen subventionierte Standort Bochum habe "zudem eine gewaltige Summe auf der hohen Kante", schreibt das Wirtschaftsmagazin. Sie sorgte für ein Zinsergebnis, das sich in der Bilanz der Nokia GmbH mit plus 70 Millionen Euro niederschlage.

Die Bochumer Werksleitung habe zudem ein Konzept entwickelt, um mit Hilfe von Investitionen in Höhe von 14 Millionen Euro im ersten Halbjahr 2008 das Werk so lukrativ und effizient zu machen wie eine Nokia-Fabrik in Ungarn, und das, obwohl in Deutschland je Arbeitsstunde rund 28,70 Euro anfallen, in Ungarn hingegen nur 6,90 Euro. Diese Zahlen nennt Nokia in einem zehnseitigen internen "Memorandum" über die "Betriebliche Restrukturierung der Nokia GmbH". Das Vorhaben ist auch in einem Betriebsratsprotokoll von Juli 2007 vermerkt, das dpa vorliegt.

Um die ursprünglich geplante Werksoptimierung vorzubereiten, fuhren die Manager laut Capital in Bochum die Investitionen im zweiten Halbjahr 2007 schon von 5,5 auf 3,3 Millionen Euro zurück. Dann seien sie plötzlich vom geplanten Kahlschlag informiert worden. Zuvor habe die Belegschaft mit Hilfe von Überstunden und Wochenendarbeit die Produktion kräftig erhöht: Statt der ursprünglich geplanten 16,3 Millionen Geräte seien von Juli bis Dezember 18,7 Millionen Handys produziert worden.

Derweil hat Nordrhein-Westfalens Wirtschaftsministerin Christa Thoben (CDU) wegen der aktuellen Krise um das Bochumer Nokia-Werk ihre Australien-Reise abgesagt. "Wir müssen uns jetzt mit aller Kraft für die Zukunft des Nokia-Standorts Bochum einsetzen", begründete sie ihre Entscheidung. Die Ministerin habe die australischen Regierungsvertreter, mit denen sie zusammentreffen wollte, informiert und um Verständnis gebeten, heißt es in der Erklärung des Wirtschaftsministeriums. Ihre Delegation mit rund 30 Vertretern aus Wirtschaft und Wissenschaft werde aber nach Australien fliegen, um Kooperationen vor allem auf dem Gebiet der Energiewirtschaft zu vereinbaren. Thoben wollte von Donnerstag bis zum 10. Februar nach Australien reisen.

Der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB) hat Nokia vorgeworfen, gegen die EU-Richtlinie über Euro-Betriebsräte verstoßen zu haben. Der Mobilfunk-Konzern habe den Betriebsrat nicht über den Beschluss informiert, das Werk in Bochum schließen zu wollen, sagte Vize-Generalsekretär Reiner Hoffmann der Frankfurter Rundschau. Bei solchen Verstößen seien bislang in der Richtlinie keine Sanktionen vorgesehen. Der EGB verlangt deshalb eine Reform der EU-Richtlinie: Wenn ein Konzern Arbeitnehmer-Rechte missachte, müsse ein Verlagerungsbeschluss ausgesetzt werden können, forderte Hoffmann. Das Management müsse verpflichtet werden, den Euro-Betriebsrat zu konsultieren und sich mit ihm auf ein Vorgehen zu einigen. Am heutigen Mittwoch treffen sich in Brüssel die europäischen Nokia-Betriebsräte, um über mögliche europaweite Protestaktionen gegen den Konzern zu beraten.

Zur geplanten Schließung des Nokia-Werks in Bochum siehe auch:

(dpa) / (jk)