LKW-Maut: Wer kontrolliert Toll Collect, wer die Experten?

Es wächst auch das Interesse der Spediteure, mit Hilfe ausgeklügelter Software die anfallenden Mautkosten in den Griff zu bekommen und an die Kunden weitergeben zu können. Gleichzeitig ist wieder einmal eine Debatte um die PKW-Maut ausgebrochen.

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Von
  • Detlef Borchers

Mit dem sich abzeichnenden Start der LKW-Maut werden nicht nur neue Straßenschilder auf demnächst mautpflichtig werdenden Straßenabschnitten aufgestellt. Es wächst auch das Interesse der Spediteure, mit Hilfe ausgeklügelter Software die anfallenden Mautkosten in den Griff zu bekommen und an die Kunden weitergeben zu können. Gleichzeitig ist wieder einmal eine Debatte um die PKW-Maut ausgebrochen.

Wenn das Maut-Konsortium Toll Collect am 1. Januar 2005 die LKW-Maut in den Regelbetrieb überführt und die On-Board-Units ihre Positionen funken, werden spätestens im Februar die ersten Abrechnungen bei den Spediteuren eintreffen. Bei den Spediteuren, die sich für den so genannten Einzelfahrtennachweis (EFN) entschieden und für den E-Mail-Versand optimiert haben, wird wahlweise eine PDF- oder eine Datei im CSV-Format eintreffen. Letztere soll in Kontrollprogramme eingepflegt werden können, mit denen Software-Anbieter die Mautzahlungen transparent machen wollen. Nach ersten Schätzungen der Spediteure produziert ein einziger LKW etwa 120 EFN pro Tag, wenn die gefahrene Strecke in einzelne Knotenpunkte aufgeschlüsselt wird. Eine durchschnittliche Spedition mit 50 Fahrzeugen im Deutschlandverkehr käme auf 6000 EFN am Tag und ca. 150.000 EFN im Monat.

Die Kontrolle der Einzelnachweise ist damit nicht ganz trivial, zumal Toll Collect zumindest in den im Internet veröffentlichten EFN-Musteraufstellungen andere Bezeichnungen verwendet als die Knotenpunkte der offiziellen Mautabschnittstabelle. Zudem sind auch die offiziellen Mauttabellen der Bundesanstalt für Straßenwesen (BAST) nicht immer korrekt und weisen besonders bei Strecken in Ballungsräumen Fehler auf. Aus diesem Grunde bedankt sich die Anstalt ausdrücklich für Hinweise auf fehlerhafte Knotenpunktangaben und korrigiert die Einträge in der Datenbank umgehend.

Für die Speditionen besteht also ein erheblicher Bedarf daran, die Mautkosten exakt zu ermitteln, mit den Zahlungen an Toll Collect zu vergleichen und gegenüber den Kunden auf der Rechnung auszuweisen. Dafür bietet die Firma Map&Guide mit map&guide toll control ein Modul zur Überprüfung der CSV-Dateien an, das die von Toll Collect zusammengefassten Daten mit der Routenplanung abgleicht. Mit MautControl stellte die Firma COS ein weiteres Kontrollmodul vor. Diese Software überprüft die CSV-Datei und schickt automatisch generierte Erstattungsformulare zu Toll Collect, wenn die Maut falsch abgerechnet wurde. COS, die zu 49% dem OBU-Lieferanten Siemens VDO Automotive gehört, hat sich nach eigenen Angaben mit der Nachkontrolle der österreichischen Maut eine gute Position am Markt erarbeitet. Dort herrschen im Vergleich zu Deutschland paradiesische Verhältnisse: 5 Stunden nach dem Ende einer Fahrt kann der Frächter online die aufgelaufene Maut abfragen und sofort dem Kunden in Rechnung stellen. "Der Online-Abruf ist ein Kundenwunsch, dessen Erfüllung wir prüfen werden. Zum Mautstart ist die Einführung natürlich nicht mehr realistisch", erklärte Toll Collect-Pressesprecher Harald Lindlar gegenüber heise online.

Die österreichische LKW-Maut funktioniert nach einem anderen System als Toll Collect. Hier berechnen Mautbrücken, die an jedem Ein/Abfahrtsknoten des insgesamt nur 2000 Kilometer langen Autobahnnetzes installiert sind, den Mautpreis. Dennoch sollen bei diesem einfachen, ohne GPS-Navigation und SMS-Nachrichten auskommenden System täglich zwischen 14.000 und 17.000 Fehlbuchungen auftreten. In Österreich gilt das System jedoch als derart erfolgreich und praxiserprobt, dass der österreichische Autobahn-Betreiber Asfinag bekannt gab, alle Anteile der italienischen Mautspezialisten Autostrada aufzukaufen, auf dass der österreichische Maut-Betreiber Europpass in Alleinregie das erfolgreiche System weltweit vermarkten kann. Auch Toll Collect hatte wiederholt erklärt, dass das Mautsystem selbst in Deutschland keine Gewinne erwirtschaften kann, sondern erst profitabel wird, wenn es ins Ausland verkauft werden kann.

Verwundert registriert die Branche indes einen Vorstoß zur Einführung der PKW-Maut in Deutschland. Gegenüber der Financial Times Deutschland erklärte Werner Rothengatter, Mitglied des wissenschaftlichen Beirates von Verkehrsminister Stolpe, dass eine Autobahnmaut für PKW nach der nächsten Bundestagswahl kommen werde. Rothengatter favorisierte gegenüber der Zeitung eine Vignetten-Lösung, die von den Verkehrsclubs AVD und ADAC prompt abgelehnt wurde. Einer OBU-Lösung erteilte der Bundesdatenschützer Schaar schon in der Financial Times eine Absage, weil sie datenschutzrechtlich sehr bedenklich sei.

Für die Durchsetzung einer allgemeinen Maut für PKW wie LKW gibt es jedoch bereits Überlegungen, wie das OBU-System skaliert werden kann. Die im Januar startende abgespeckte Version der LKW-Maut arbeitet bereits mit der zweiten Generation der OBUs. Bei diesen OBU soll die "statische" Maut im nächsten Jahr durch eine "dynamische" Maut ersetzt werden, bei der Mautstrecken wie Mautpreise von der Zentrale aus geändert werden können. Dieses Upgrade auf die Vollversion muss noch über einen Service-PC erfolgen und soll daher laut Toll Collect günstig mit einem Ölwechsel oder anderen Wartungsarbeiten erfolgen. Nach diesem Upgrade überlegt man jedoch in Berlin, wie die nächste, dritte Generation von OBUs gestaltet werden kann. Hoch favorisiert ist derzeit die TeledrivePC-Referenzarchitektur, die weitere Anwendungsbereiche öffnen soll. Zur Debatte steht dabei auch die Integration des digitalen Fahrtenschreibers, dessen Einführung auf Augsut 2005 verschoben wurde. Ein Maut-System auf der Basis von Windows CE Automotive wäre für alle Fahrzeuge vom LKW bis zum PKW geeignet, doch nicht vor 2010 realisierbar, heißt es aus Entwicklerkreisen.

Zu den Verwicklungen um die Mauteinführung in Deutschland siehe auch:

(Detlef Borchers) / (jk)