LKW-Maut: Schwarzfahren oder mit dem Handy zahlen [Update]
Deutsche Spediteure glauben, dass beim Start der LKW-Maut ihre ausländischen Kollegen bevorzugt werden, weil sie keine On-Board-Units installiert haben -- dabei gibt es Alternativen zur Mautzahlung über Toll Collect.
Die deutschen Spediteure glauben, dass es mit dem zum 1. 1. 2005 geplanten Start der deutschen LKW-Maut massenhaft ausländische Mautpreller geben wird. Karlheinz Schmidt, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) begründete diese Einschätzung gegenüber der Berliner Zeitung damit, dass ausländische Spediteure bislang kaum On-Board-Units (OBUs) in ihren LKW eingebaut haben. Aus diesem Grund seien die deutschen Behörden angewiesen, kulanterweise kein Bußgeld zu erheben, sollten sie ausländische Mautpreller ertappen. Diese könnten sich beschweren, durch lange Wartezeiten an den Maut-Terminals behindert zu werden, was sich zu einer Klage über die Maut als EU-Handelshemmnis ausweiten könnte.
Die Klage der deutschen Spediteure berücksichtigt nicht, dass Toll Collect zum Mautstart mit Call-Centern den Terminal-Stau entzerren kann. Auch gibt es mittlerweile Alternativen zur Mautzahlung über Toll Collect. Neben der Formularlösung digipen maut connect hat sich der Dienstleister euro maut services an den Start begeben. Euro maut ist ein Dienst, an dem die Deutsche Industrieholding und die Kreditanstalt für Wiederaufbau als Finanziers beteiligt sind. Weitere Partner sind Materna, mit Annyway nach eigenen Angaben der größte SMS-Versender Europas, und Wirecard. Die Firma hatte die Idee, eine Alternativ-OBU zu entwickeln. "Schnell kamen wir auf die Idee, die Mautbuchung auf das Niveau einer Mobilfunkabfrage umzusetzen", erklärte Geschäftsführer Frank Steinmetz anlässlich einer Pressekonferenz in Bonn.
Mit einer Kapazität von 1000 parallel geschalteten Leitungen bietet euro maut die Mautbuchung über das Mobiltelefon und Internet in 26 Sprachen an. Dabei nennt der Fahrer die Autobahnauffahrt und die geplante Abfahrt seiner Tour. Euro maut berechnet dann die Route und mindestens zwei Alternativrouten. Bei einer Internet-Buchung wird jede einzelne Route zudem in Streckenabschnitte zerlegt. Hat sich der Fahrer für eine Route entschieden, bekommt er die Nummern der Streckenabschnitte zum Freischalten und Bezahlen per SMS oder WAP aufs Handy übermittelt. Entscheidet er sich, im Stau die Autobahn zu verlassen, werden keine Umbuchungen nötig sein, weil nur der gefahrene Streckenabschnitt bezahlt wird.
Der Service von euro maut ist nicht billig: zusätzlich zur Mautgebühr werden 2,99 Euro (3,99 Euro für Spontankunden) für die Buchung berechnet, die Aktivierung einer kostenlos vorgebuchten Teilstrecke kostet 0,99 Euro. Für Spediteure ist der Service dennoch attraktiv, weil der gesamte Mautvorgang mit gängigen Tankstellenkarten tagesaktuell abgerechnet wird. Im Gegensatz dazu bucht Toll Collect monatlich ab. Die Bezahlung über das Handy soll nicht die OBU ersetzen, doch hofft man bei euro maut vom Bezahl-Start der Maut weg mit 15.000 bis 30.000 Touren pro Tag das Geschäft zu machen.
Zu den Verwicklungen um die Mauteinführung in Deutschland siehe auch:
- Verursacherbedingt verspätet -- Das "fortschrittlichste Mautsystem der Welt" und die Realität, c't 22/2003, S. 92, verfügbar im heise online-Kiosk
- Ausgebremste Automatik -- Das Kreuz mit der satellitengestützten Lkw-Maut, c't 21/2002, S. 60
- Call Center soll Maut-Start erleichtern
- LKW-Maut: Test erfolgreich, Gebühren zu niedrig
- Nicht alle sind Engel
- Speditionen sehen keinen Grund zur Verschiebung
- "Frühstart" der Maut in der Kritik
- LKW-Maut schafft vorübergehend Arbeitsplätze
- Unerwarteter Auslandsfehler
- Sperrminorität gegen einheitliche EU-Maut erfolgreich
- Toll Collect stottert ab
- Bremsklotz aus Brüssel
- Generalprobe vorzeitig gestartet
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(Detlef Borchers) / (pmz)