Softwarepatent-Gegner beklagen Deal der EU-Kommission mit Microsoft
Der Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur sieht die von Brüssel zur Beilegung des Kartellrechtsstreits mit den Redmondern ausgehandelten Lizenzbedingungen als nicht mit Open-Source-Modellen vereinbar.
Der Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur (FFII) übt scharfe Kritik an der Absprache der EU-Kommission mit Microsoft zur Beilegung ihres langjährigen Kartellrechtsstreits. Es geht dabei vor allem um die Bedingungen für die vom EU-Gerichtshof erster Instanz bestätgte Auflage über die Offenlegung der Protokoll- und Schnittstelleninformationen zur Herstellung von Interoperabilität mit Windows-Servern. Der Deal, den Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes und Microsoft-Chef Steve Ballmer im persönlichen Gespräch unter Dach und Fach gebracht haben, gefährde Europas aufstrebende Open-Source-Wirtschaft, moniert der FFII. Firmen aus dem Bereich freier Software müssten künftig anhand der ausgehandelten Lizenzvereinbarungen einer Art "Microsoft-Steuer" zahlen. Dem Softwaremonopolisten sei es so gelungen, die große Niederlage vor Gericht doch noch in einen Sieg zu verwandeln. Zudem habe die Brüsseler Behörde den Redmondern gleichsam den Segen erteilt, weiter aggressiv gegen ihre Wettbewerber vorzugehen.
"Wir gehen davon aus, dass die Kommission nach all den Verzögerungen einen Papiersieg erreichen wollte", moniert der FFII-Präsident Pieter Hintjens. "Die für schuldig befundene Partei lässt sich darauf ein, nicht in Berufung zu gehen, empfängt einen Klaps auf die Hand und verspricht sich wohl zu verhalten. Und die Kommission steht in der Presse gut da", umreißt der Softwarepatent-Gegner die Rahmenbedingungen aus seiner Sicht. Leidtragende sei die europäische Industrie, die verstärkt auf frei verfügbare Software angewiesen sei. Sie müsse letztlich die Rechnung bezahlen.
Laut der EU-Behörde hat Microsoft zugestanden, dass auch Open-Source-Entwickler auf die Interoperabilitätsinformationen zugreifen und sie nutzen können. Dafür sind zwei Lizenzmodelle vorgesehen, die sich laut dem FFII aber gerade nicht mit den Rahmenbedingungen freier Software in Vereinbarung bringen lassen. Eine Lizenz, die als "No Patent Agreement" bezeichnet wird, soll zwar viele Interoperabilitätsangaben umfassen. Außen vor bleibt dabei aber nach Kommissionsangaben die Nutzung der Patente, die Microsoft für eine bestimmte Technik, die im Rahmen der Protokolle und Schnittstellen genutzt wird, für notwendig hält. Die Lizenzgebühren dafür seien auf eine nominale Zahlung von 10.000 Euro angesetzt worden. Die zweite, weitergehende Lizenzform einschließlich einer Patentvereinbarung enthalte die Nutzung aller von dem Softwarekonzern im Rahmen der Protokoll- und Schnittstellendefinitionen beanspruchten Patente. Die Zahlungsforderung für diese Variante sei einschließlich aller betroffenen gewerblichen Schutzrechte auf 0,4 Prozent des Umsatzes reduziert worden, den ein Lizenznehmer mit einem Produkt erzielt, das auf den Interoperabilitätsinformationen basiert.
Der FFII sieht von beiden Lizenzformen "neue Transaktionskosten für die ganze Gesellschaft" ausgehen, die im Gegensatz etwa zu den offenen Innovationsmöglichkeiten im Internet stünden. Die Aktivisten ärgert vor allem, dass Microsoft diese Gebühren auf der Basis von gewerblichen Schutzrechten eintreiben könne, welche das Europäische Patentamt (EPA) in seiner breiten Auslegung des Europäischen Patentübereinkommens auch auf "computerimplementierte Erfindungen" den Redmondern rechtswidrig erteilt habe.
"Die Kommission versteht nicht, wie Open Source funktioniert", schüttelt auch Benjamin Henrion, der Brüsseler Vertreter des FFII, den Kopf über die ausgehandelte Vereinbarung. Die Behörde habe ganz naiv die Versprechungen der Redmonder akzeptiert, dass diese von nun an die Spielregeln einhalten würden. Dabei habe Microsoft seit Jahren geplant, die Open-Source-Wirtschaft durch gewerbliche Schutzrechte auf Computerprogramme unter Kontrolle zu bringen. Dieses Vorhaben sei nun ein gutes Stück weit voran gekommen. "Kroes hat sichergestellt, dass Softwarepatente des EPA, welche die EU in 2005 zurückgewiesen hat, nun den Klammergriff des Monopolisten über Jahre hinweg stärken."
Zum Patentwesen sowie zu den Auseinandersetzungen um Softwarepatente und um die EU-Richtlinie zur Patentierbarkeit "computer-implementierter Erfindungen" siehe den Online-Artikel in "c't Hintergrund" (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den aktuellen Meldungen):
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(Stefan Krempl) / (jk)