Fachkräfte-Zuzug: EU-Kommission zeigt die Blaue Karte

Während Industrievertreter EU-Pläne für einen erleichterten Zuzug von hochqualifizierten Fachkräften in die EU-Mitgliedsstaaten begrüßen, kommt Kritik aus der SPD.

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Die EU-Kommission hat heute das von Innenkommissar Franco Frattini initiierte Konzept für die so genannte Blue Card vorgestellt, die Fachkräften die Zuwanderung erleichtern soll. Hochqualifizierte Einwanderer sollen mit der Karte, deren Name eine Anspielung auf die US-amerikanische "Green Card" und die blaue Europa-Flagge ist, auf schnellere Arbeitserlaubnisse oder langfristige Aufenthaltsgenehmigungen hoffen können. Dazu benötigen sie eine bezahlte, auf mindestens ein Jahr befristete Arbeitsstelle und eine Krankenversicherung. Das Gehalt muss eine bestimmte Höhe erreichen.

Frattini stellte für sein Projekt zum einen eine EU-weite, einheitliche Antragsprozedur für Fachkräfte aus Drittländern vor, die auch eineitliche, allgemeine Rechte für sie festlegt. Dazu kommen die Regeln und Festlegungen, die die Blue Card selbst ausmachen, etwa eine anfängliche Aufenthaltsbeschränkung auf zwei Jahre oder Möglichkeiten zum Wechsel des Landes innerhalb der EU mit Aufenthaltsverlängerung. Das Konzept, das zuvor bereits bekannt geworden war, müsse die 27 EU-Mitgliedstaaten noch absegnen. Innerhalb von zwei Jahren müsste dann die Rahmenrichtlinie umgesetzt werden.

Der Verband der Maschinen- und Anlagenbauer (VDMA) begrüßt den Vorschlag der EU-Kommission. "Zuwanderung kann sicherlich nicht den Mangel an Fachkräften beheben, aber lindern", sagte VDMA-Präsident Manfred Wittenstein. Er kritisierte aber, dass die Frattini-Initiative sehr spät komme. Der weltweite Wettbewerb um die besten Köpfe habe längst begonnen.

Wie der VDMA beklagt auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) seit einiger Zeit den angeblichen Fachkräftemangel und begrüßt die EU-Pläne. Zusammen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie veröffentlichte er gestern eine Stellungnahme zur Vorstellung einer Analyse des Instituts der deutschen Wirtschaft. Darin wird der Wertschöpfungsverlust durch nicht oder nur verzögert zu besetzende Stellen auf rund 18,5 Milliarden Euro beziffert. Besonders in den Fachbereichen Technik, Mathematik, Informatik und Naturwissenschaften sowie bei Technikern sei der Fachkräftemangel besonders gravierend. Durch den demografischen Wandel werde sich die Situation noch verschärfen.

Kritik an den Plänen kommt hingegen aus der SPD. Deren Bundestagsfraktion hält die Pläne für zu umfangreich. Das ist Äußerungen des arbeitsmarktpolitischen Sprechers der Fraktion, Klaus Brandner, im ZDF-Morgenmagazin zu entnehmen. Der Ansatz einer dauerhaften Regelung, die Sicherheit verschaffe, sei richtig. Die Blue Card gehe aber angesichts der Arbeitsmarktsituation in Deutschland zu weit. Hier gebe es noch über 20.000 arbeitslose Ingenieure, die kurzfristig weitergebildet werden könnten. Viele Unternehmen scheuten jedoch davor zurück und hätten zudem die Ausbildung von Fachkräften vernachlässigt.

Bundesarbeitsminister Franz Müntefering hatte bereits im September kritisiert, dass "auf diese Art und Weise solche Dinge mit solcher Schwergewichtigkeit ausgelöst werden". Das sei keine Angelegenheit der Kommission, sondern der nationalen Parlamente und Regierungen. Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) hatte eingeräumt, Deutschland könne nicht "massenhaft ausländische Arbeitnehmer holen, nur weil wir sie im Moment gerade einmal brauchen." Der CDU-Innenpolitiker Reinhard Grindel meinte, der Zugang zum Arbeitsmarkt müsse Sache der nationalen Regierungen bleiben. Müntefering hatte ebenfalls im September angekündigt, dass ab November der deutsche Arbeitsmarkt für Elektro- und Maschinenbauingenieure aus den zwölf EU-Beitrittsländern vorzeitig geöffnet werde. Ab dann müssten nicht mehr wie bisher deutsche Bewerber bevorzugt werden. Darauf verwies im Morgenmagazin auch Brandner.

Zu den gegenwärtigen Klagen vieler Branchen und besonders der IT-Firmen über Facharbeitermangel sowie den Ansprüchen der Informatikabsolventen siehe auch:

  • In Aufbruchstimmung, AnsprĂĽche der Informatikstudierenden an die Berufswelt, c't 21/07, S. 97
  • GefĂĽhlter Mangel, Wie viele Informatiker braucht die Wirtschaft?, c't 16/07, S. 78

Zu dem Thema siehe auch:

Siehe auch:

  • heise jobs, Stellenanzeigenbörse sowie aktuelle Berichterstattung und Hintergrundartikel zum Arbeitsmarkt, der Ausbildungssituation und den Gehaltsstrukturen der Hightech-Branchen

(anw)