Widerstand gegen "Regulierungsferien" für die Telekom wächst weiter
Die EU-Kommission und Branchenvertreter beklagen immer stärker die Pläne der Bundesregierung, dem Altmonopolisten eine Regulierungspause für sein neues Hochgeschwindigkeitsnetz einzuräumen.
Brüssel und Branchenvertreter beklagen immer stärker die Pläne der Bundesregierung, im Rahmen der Novelle des Telekommunikationsgesetzes (TKG) der Deutschen Telekom eine Regulierungspause für sein neues Hochgeschwindigkeitsnetz einzuräumen. "Deutschland stand jahrelang für Ordnungspolitik", bemerkte Rudolf Strohmeier, Kabinettschef der Generaldirektion Informationsgesellschaft bei der EU-Kommission, am heutigen Mittwoch auf dem Deutschen Multimedia-Kongress (dmmk) zu den vorgesehen "Regulierungsferien". Der geplante Schutz des Altmonopolisten vor einer Zugangsverpflichtung auch für Konkurrenten zum schnellen Glasfasernetz für die VDSL-Anschlüsse laufe der bisherigen Linie der Bundesregierung aber nun völlig zuwider und stoße in Brüssel "sehr stark auf Widerstand".
"Gerade im Telekommunikationsbereich haben wir entgegengesetzte Erfahrungen gemacht", konterte Strohmeier die Argumentation der Bundesregierung, mit der Schutzklausel innovative Netzbetreiber belohnen zu wollen. "Investitionen im Breitbandbereich sind gerade dort verstärkt getätigt worden, wo reger Wettbewerb herrschte." Gleichzeitig betonte er, dass in Deutschland bei der Einhaltung des europäischen Rechtsrahmens zur Telekommunikation insgesamt nicht "alles zum Besten steht". So habe die Bundesregierung etwa den so genannten Bitstromzugang für die Telekom-Wettbewerber verzögert. Mit der von der Bundesnetzagentur derzeit vorbereiteten Maßnahme soll die T-Com verpflichtet werden, Konkurrenten diskriminierungsfrei breitbandige Zugänge zum Endkunden bereitzustellen.
Nach dem Entwurf der Bundesregierung soll die Telekom mit dem neuen Glasfasernetz, das VDSL-Anschlüsse bei Endkunden mit bis zu 50 MBit/s ermöglicht, unbeschadet von Preisauflagen und Öffnungsklauseln für Konkurrenten an den Start gehen können. Die entsprechende Klausel in Paragraph 9a TKG sieht vor, "neue Märkte" im Netzbereich und die in sie fließenden Investitionen vor Konkurrenten zunächst abzuschotten. Wettbewerber sollen die ausgebaute Datenautobahn im Gegensatz zu den normalen Festnetzleitungen für einen gewissen Zeitraum nicht befahren und ihren eigenen Kunden zur Verfügung stellen dürfen. Der Bundesrat will sich mit Kritik an der umkämpften Passage zurückhalten.
Die möglicherweise Ausgeschlossenen laufen gegen die Klausel weiter Sturm. "Der 9a muss fallen", forderte Charles Fränkl, Chef von AOL Deutschland, auf dem dmmk. Die Branche lebe vom Wettbewerb, weswegen niemand mehr die Signale aus Berlin verstünde und keiner mehr wüsste, wohin die Regierung wolle. Der Branchenverband VATM begrüßte derweil die Pläne von der für die Informationsgesellschaft zuständigen Kommissarin Viviane Reding, eine eigene EU-Regulierungsbehörde aufzubauen und Altmonopolisten notfalls aufzuteilen. "Wenn die Deutsche Telekom es tatsächlich schafft, die ohnehin anstehende Modernisierung ihres Netzes und die lange geplante strategische Ausweitung der Wertschöpfungskette um Medieninhalte und Triple Play als politisch schützenswerte Internet-Innovation zu verkaufen, kann man die Sorgen der Kommission verstehen", kommentiert VATM-Geschäftsführer Jürgen Grützner die Äußerungen Redings. Viele Politiker hätten die damit verbundenen "dramatischen Auswirkungen auf den Wettbewerb und den Wirtschaftsstandort Deutschland" bereits im Blick.
Auch für die Initiative Europäischer Netzbetreiber (IEN) zeigen die Ankündigungen Redings, dass die Kommission "das Ausmaß der Probleme auf den europäischen Telekommunikationsmärkten erkannt hat, wie auch die Gefahren, die von nationalen Sonderwegen und wirtschaftspolitischem Protektionismus ausgehen". Die Industrievereinigung wertet die erneute Kritik aus Brüssel als "eine schallende Ohrfeige" für die deutsche Regulierungspolitik, da sie der Bundesnetzagentur insbesondere beim Thema Bitstrom und Breitband Untätigkeit und Konzeptionslosigkeit vorwerfe.
Zur Auseinandersetzung um die Telekommunikationsregulierung und das geplante VDSL-Netz der Deutschen Telekom siehe auch:
- Bundesrat will sich mit Kritik an "Regulierungsferien" für die Telekom zurückhalten
- T-Com-Chef Raizner droht mit Ausbau-Stopp für VDSL
- EU-Kommission fordert Nachbesserungen bei Telekommunikationsgesetz
- Glos sieht keine Begünstigung der Telekom
- Telekom sieht keinen Regulierungsbedarf in Deutschland
- Opposition kündigt Widerstand gegen VDSL-Regulierungsferien für die Telekom an
- VDSL: EU wirft Bundesregierung Protektionismus vor
- Telekom-Konkurrenten laufen Sturm gegen Regulierungspause für VDSL
- Telekom startet VDSL-Testbetrieb mit IPTV im Mai
- Hansenet will Beschwerde gegen Telekom einreichen
- Neuer Regulierungsrahmen für Telekommunikation bleibt heftig umstritten
- EU-Kommissarin droht im Telekom-Streit erneut mit Klage
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(Stefan Krempl) / (jk)