Gewerkschaften planen europaweite Aktion gegen Nokia

Nokias Verhalten sei, wenn nicht unbedingt im juristischen Sinne, so doch politisch "nackter Betrug", meinte der SPD-Parteichef. Der Betriebsrat zeigte sich zufrieden mit den Ergebnissen eines Gespräches zwischen Nokia-Chef und NRW-Wirtschaftsministerin.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 147 Kommentare lesen
Lesezeit: 5 Min.
Von
  • dpa

Der Europäische Metallgewerkschaftsbund (EMB) hat europaweite Aktionen gegen Nokia wegen der geplanten Werksschließung in Bochum angekündigt. Am morgigen Mittwoch würden in Brüssel alle Gewerkschaften zusammenkommen, die Mitglieder in Nokia-Betrieben in Europa haben, um über ein gemeinsames Vorgehen zu beraten, sagte EMB-Generalsekretär Peter Scherrer im Deutschlandradio. Europaweite Streiks seien zwar schwer zu organisieren, aber es werde über punktuelle Streiks gesprochen. Erreicht werden solle, dass Nokia die Schließung des Bochumer Werkes aussetzt und intensiv über Alternativen nachgedacht wird. "Das hätte bei einer guten und verantwortungsvollen Unternehmensführung schon viel früher kommen müssen", sagte Scherrer.

Was eine Rücknahme der Schließung des Bochumer Nokia-Werkes angehe, sagte der EMB-Generalsekretär: "Ich hab da durchaus Hoffnung." Das Unternehmen Nokia habe in dieser Affäre schon reichlich Gesichtsverlust erlitten. "Da kommt es darauf auch nicht mehr an", sagte Scherrer. Er zeigte sich erstaunt, dass die Unternehmensführung über die "Wucht der Reaktionen" überrascht sei. Sie hätten aus der Schließung des AEG-Elektrolux-Werkes in Nürnberg vor zwei Jahren und anderen Fällen ihre Lehren ziehen können.

Der SPD-Bundesvorsitzende Kurt Beck hat derweil Nokia aufgefordert, das geplante Aus für das Bochumer Werk zu überdenken. "Der Kampf um Nokia in Bochum ist noch lange nicht verloren", sagte Beck am Montagabend auf einem Parteitag der SPD in Bochum-Wattenscheid. Im Hinblick auf gezahlte Subventionen sagte er, Nokias Verhalten sei, wenn nicht unbedingt im juristischen Sinne, so doch politisch "nackter Betrug". Zudem müsse die europäische Subventionspolitik überprüft werden. Bei der Globalisierung dürften Menschen nicht "Versuchskaninchen" sein.

Der Betriebsrat zeigte sich am Montag zufrieden mit den Ergebnissen eines ersten Gespräches zwischen Nokia-Chef Olli- Pekka Kallasvuo und NRW-Wirtschaftsministerin Christa Thoben (CDU). Ein grundsätzliches "Nein" sei erst einmal vom Tisch, sagte die Bochumer IG-Metall-Bevollmächtigte Ulrike Kleinebrahm nach dem Treffen. "Unsere Rechnung ist aufgegangen. Politik und Unternehmen haben Gespräche aufgenommen", sagte die Gewerkschafterin. Der Betriebsrat gehe jetzt davon aus, ebenfalls mit der Geschäftsführung zu sprechen. "Unser Ziel ist, dass unsere Vorschläge geprüft werden", sagte Kleinebrahm. Unter anderem schlage der Betriebsrat Investitionen vor, um bei gleicher Mitarbeiterzahl die Produktion zu verdoppeln. Das wäre eine gleiche Produktivität wie in Ungarn, sagte Achenbach.

Nach einem Bericht der Rheinischen Post wäre für eine solche Verdopplung der Produktion eine Einmal-Investition in Höhe von 14,3 Millionen Euro nötig. Dies gehe aus einem internen Konzeptpapier hervor, an dem die Bochumer Nokia-Belegschaft schon seit einem Jahr gemeinsam mit dem örtlichen Management gearbeitet habe, berichtet das Blatt. Mit der Verdopplung der Kapazität hätte das Bochumer Werk die Produktivität des neuen Nokia-Werkes in Rumänien erreicht, zu dessen Gunsten Bochum geschlossen werden soll. Außerdem werde darüber diskutiert, in Bochum eine Testlinie für die Montage neuer Telefon-Modelle aufrechtzuerhalten, an der bis zu 100 Nokia-Beschäftigte arbeiten sollen.

Bei dem Treffen zwischen Kallasvuo, Thoben und dem Staatssekretär des Bundeswirtschaftsministeriums, Hartmut Schauerte (CDU), war eine gemeinsame Suche nach "innovativen Lösungen für die Zukunft des Nokia-Standortes Bochum" vereinbart worden. Das Unternehmen und die Landesregierung wollten zu diesem Zweck sofort ein Arbeitsteam einsetzen, hieß es. Bundes- und Landesregierung legten großen Wert darauf, dass die Nokia-Unternehmensleitung "kurzfristig in ausführliche Gespräche mit dem Betriebsrat eintritt und bereit ist, auch dessen Vorstellungen für den Standort zu erörtern".

Zur geplanten Schließung des Nokia-Werks in Bochum siehe auch:

(dpa) / (jk)