Parallelgewerkschaft AUB tritt kurz vor Siemens-Prozess Flucht nach vorne an
Von dem Skandal um Bestechungsgelder hat sich die AUB bis heute nicht erholt, der Imageschaden ist beträchtlich. In einer PR-Offensive versucht die AUB-Führung mit Ansichten von der "arbeitgeberfreundlichen Gewerkschaft" aufzuräumen.
Von dem Skandal um Wilhelm Schelsky hat sie sich bis heute nicht erholt, vor allem der Imageschaden ist für die Arbeitnehmerorganisation AUB beträchtlich. Rund drei Wochen vor dem Prozess gegen den früheren AUB-Chef Schelsky und das Ex-Siemens-Vorstandsmitglied Johannes Feldmayer vor dem Landgericht Nürnberg wegen der Veruntreuung von Siemens-Firmengeldern tritt die Arbeitsgemeinschaft Unabhängiger Betriebsangehöriger (AUB) nun die Flucht nach vorne an. "Wir wollen uns offensiv an der Aufarbeitung der Affäre 'Schelsky' beteiligen", betont der eigens angeheuerte PR-Berater Hasso Mansfeld und löst damit bei Mitgliedern des neu gebildeten AUB-Vorstandes zustimmendes Kopfnicken aus.
In einer PR-Offensive versucht die AUB-Führung vor allem mit weit verbreiteten Ansichten von der "arbeitgeberfreundlichen Gewerkschaft" und "bestochenen Betriebsräten" aufzuräumen; solche Vorwürfe erhebt etwa auch die IG Metall, gegen die unter anderem Siemens den Aufbau der AUB als Parallelgewerkschaft unterstützt hatte. "Ich bin bisher auf keinen Fall gestoßen, in dem sich AUB-Betriebsräte bei ihrer Arbeit anders verhalten hätten, weil sie Geld bekommen haben", betont der AUB-Landesbeauftragte für Nordrhein- Westfalen, Heinz-Jürgen Forstreuter. Der frühere AUB-Betriebsrat bei Nokia-Siemens in der Region Düsseldorf ist seit Gründung der AUB im Jahre 1986 Mitglied der Arbeitnehmerorganisation – und jetzt vom Bundesvorstand mit der Aufarbeitung des "Schelsky-Skandals" beauftragt worden.
Forstreuter, der seit Wochen in alten AUB-Akten wühlt, sofern sie nicht von der Staatsanwaltschaft sichergestellt wurden, bezweifelt sogar, dass überhaupt die von Siemens an Schelsky geflossenen Gelder in größerem Umfang bis zu den AUB-Betriebsgruppen gelangt sind. "Bei uns in Düsseldorf sind jedenfalls keine Schelsky-Gelder angekommen, allenfalls Werbematerialien und Betriebsrats-Handbücher." Nach seinen Recherchen sieht es eher danach aus, dass die Siemens-Millionen in der Nürnberger AUB-Zentrale und den Landesgeschäftsstellen hängen geblieben sind.
Gerade in die Bundesgeschäftsstelle mit ihren einst 15 hauptamtlichen Mitarbeitern sind nach Berechnungen des AUB-Bundesvorsitzenden Rainer Knoob pro Jahr rund eine Million Euro geflossen. Dabei erwies sich Schelsky als durchaus großzügiger Arbeitgeber. Allein die beiden für die Rechtsberatung angeheuerten Rechtsanwältinnen sind nach Forstreuters Recherchen mit monatlich 13.000 Euro samt Dienstwagen entlohnt worden. Heute halten in der Nürnberger AUB-Zentrale gerade noch vier Hauptamtliche die Stellung.
Dennoch kann sich die heutige AUB-Führung kaum vorstellen, dass die zwischen 2001 und 2006 an Schelsky geflossenen Siemens-Gelder zwischen 30 bis 50 Millionen Euro ausschließlich in AUB-Kassen geflossen sind. Der heutige Vorstand komme – rechne man Kosten für Geschäftsstellen und Aktionsmaterialien zusammen – allenfalls auf einen Betrag von 13 bis 15 Millionen Euro. "Wo ist der Hauptteil des Geldes geblieben, wenn an die AUB nicht mal ein Drittel geflossen sind?", fragt sich AUB-Chef Knoob. Vieles deute darauf hin, dass Schelsky den Löwenanteil des Geldes in Sportsponsoring gesteckt hat. So soll die Unternehmensberatung Schelsky neben den Handballerinnen des 1. FC Nürnberg auch andere Sportclubs finanziert haben.
Unterdessen beteuern die Mitglieder der heutigen AUB-Führung, sie hätten sich persönlich im Zusammenhang mit dem "Schelsky-Skandal" nichts vorzuwerfen – außer vielleicht eins: Dem Charisma von Schelsky erlegen zu sein. "Schelsky war formatfüllend. Wenn Schelsky einen Raum betrat, da musste keiner mit einem Löffel an ein Glas klopfen, damit es ruhig wurde", erinnert sich Forstreuter. "Heute denken wir: Hätten wir doch manchmal etwas sturer nachgefragt", meint Knoob. Denn Fragen nach seiner scheinbar unbegrenzt sprudelnden Finanzquelle, habe Schelsky stets abgewürgt. So zum Beispiel, als sich Forstreuter irgendwann wunderte, dass die Curling-Nationalmannschaft im AUB-Trikot vor die Fernsehkameras trat. Als Forstreuter nachfragt, habe er nur kurz zur Antwort bekommen. "Das geht Dich nichts an".
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(Klaus Tscharnke, dpa) / (jk)