Qimonda ist vorläufig gerettet

Dass es eine europäische Lösung für den von Insolvenz bedrohten Speicherchip-Hersteller gibt, soll auch die Beihilfe-Kontrolleure der EU überzeugen: Europa müsse schon aus strategischen Gründen im Wettbewerb vor allem mit asiatischer Konkurrenz bleiben.

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  • dpa

Selten wurde eine erst einmal gute Nachricht mit solch ernsten Mienen verkündigt. Als Sachsens Wirtschaftsminister Thomas Jurk (SPD) am Sonntagmittag flankiert von Qimonda-Managern und Infineon-Chef Peter Bauer in Dresden vor die Mikrofone trat, war die Kunde von der Rettung des angeschlagenen Speicherchip-Herstellers Qimonda schon durchgesickert.

Das Rettungspaket für Qimonda steht und ein wichtiger Absender kommt aus dem Ausland. Denn erst Portugal machte es mit einem 100-Millionen-Euro Darlehen möglich, dass Qimonda zumindest für das kommende Jahr optimistisch in die Zukunft blicken kann. Zuletzt war um die Finanzierung des von Insolvenz bedrohten Unternehmens gefeilscht worden wie auf einem Basar. Der Freistaat Sachsen hatte 150 Millionen Euro angeboten und eine gleiche Summe von der Qimonda-Mutter Infineon verlangt. Dort wollte man nur die Hälfte geben und den Freistaat zugleich für den Kauf eines Qimonda-Aktienpakets erwärmen. In Gesprächen mit Portugal kam man nun aus der Sackgasse.

Das Land am Atlantik handelt dank internationaler Arbeitsteilung im eigenen Interesse. Denn nahe Porto vollendet ein Qimonda-Standort mit rund 2000 Beschäftigten jene Chips, deren Strukturen in Dresden entstehen. "Wir sehen die Achse Dresden und Portugal auch in Zukunft als die entscheidende Achse für das Wachstums dieses Unternehmens", sagte Qimonda-Aufsichtsratschef Peter Fischl. Dass es eine europäische Lösung gibt, soll auch die Beihilfe-Kontrolleure der EU überzeugen. Denn in der Diskussion um die Krise der Halbleiterbranche war stets die Rede davon, dass Europa schon aus strategischen Gründen im Wettbewerb vor allem mit asiatischer Konkurrenz bleiben müsse.

Für Sachsens schwarz-rote Koalition hat das Überleben von Qimonda mit gut 3000 Jobs noch eine ganz andere Dimension. Mit dem Wohl und Wehe der Chip-Branche fällt das Urteil über die CDU-Förderpolitik in der Gründerzeit der 90er Jahre aus. Damals hatte der Freistaat die Ansiedlung von Halbleiterfirmen wie AMD und Infineon generös unterstützt. Die Linken im Landtag von Sachsen rechneten unlängst vor, dass rund 1,5 Milliarden Euro Steuergelder in das "Silicon Saxony" flossen. Heute ernährt die Branche rund 44.000 Menschen in 1200 Firmen. Qimonda müsse gerettet werden, nicht um jeden Preis, aber gegebenenfalls um einen sehr hohen Preis, betonten die Grünen.

Bei Qimonda heißt das Zauberwort nun kurz und bündig BWL. Damit ist freilich nicht die Betriebswirtschaftslehre gemeint. Hinter dem Kürzel verbirgt sich die innovative Buried-Wordline-Technik. Sie beschreibt eine besondere Struktur der Halbleiter. Qimonda will die gesamte DRAM-Produktion auf dieses neue Fertigungsverfahren umstellen, das im Vergleich zur zuvor verwendeten Trench-Zellen-Technik weniger Siliziumfläche pro Speicherbit belegt. Davon erhofft sich Qimonda einen Wettbewerbsvorteil. Die 65-nm-Serienfertigung von sogenannten 6F2-Zellen läuft laut Qimonda bereits seit dem Herbst, auch erste Muster von 46-nm-Versionen dieser Zellen wurden erfolgreich produziert. Bis 2010 will Qimonda gemeinsam mit dem japanischen Konkurrenten Elpida eine neue, noch kompaktere 4F2-Generation von Buried-Wordlinie-DRAMs auf den Weg bringen.

Am Sonntag wurde erneut laut darüber nachgedacht, ein Modul zur Serienfertigung von 46 Nanometer-Chips zu bauen. Dann könnten wieder 450 bis 500 Jobs entstehen. Das ist freilich kein Trostpflaster für jene 950 Mitarbeiter, die Qimonda bis Frühjahr 2009 verlassen müssen. Unabhängig vom Millionen-Segen zur Weihnachtszeit soll der Umbau des Unternehmens weitergehen. Auf eine Jobgarantie wollte sich Fischl nicht einlassen. Es gebe jedoch ein klares Bekenntnis zum Standort Dresden. Dafür greift nun selbst die Firmenspitze in die eigene Geldbörse. Die Gehälter des Topmanagements sollen im Schnitt um 20 Prozent sinken. Fischl sprach von einem "respektablen Beitrag".

Die Probleme bei Qimonda hatten sich in den vergangenen Wochen immer mehr zugespitzt:

September – Die Anzeichen für schwere Turbulenzen in der Halbleiter- Industrie mehren sich. Die Branche kämpft mit einem Preisverfall und Überkapazitäten.

13.10. – Qimonda gibt bekannt, dass 3000 der weltweit 13 000 Stellen wegfallen. Im Dresdner Werk sind 950 der 3000 Jobs betroffen.

17.11. – Hinter verschlossenen Türen laufen die Verhandlungen mit dem Land Sachsen und dem Bund über ein Rettungspaket.

27.11. – Die Qimonda-Mutter Infineon fordert zur Rettung von Qimonda eine Bürgschaft über 500 Millionen Euro von Bund und Land. Die Suche nach einem Investor für einen 77,5-Prozent- Anteil bleibt erfolglos.

01.12. – Der Sozialplan für die von der Streichung von 950 Jobs in Dresden betroffenen Mitarbeiter steht.

05.12. – Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) erklärt, sich bei der Qimonda-Rettung nicht von Infineon unter Druck setzen lassen zu wollen.

07.12. – Der Streit zwischen dem Land Sachsen und Infineon verschärft sich.

16.12. – 13.00 Uhr: Der Freistaat Sachsen will ein Darlehen von 150 Millionen Euro gewähren - unter der Bedingung, dass Infineon die gleiche Summe zuschießt.

16.12. – 17.30 Uhr: Infineon teilt mit, sich nicht am Qimonda- Rettungspaket beteiligen zu wollen.

18.12. – Infineon veröffentlicht eine Kreditzusage über 75 Millionen Euro und bietet den Verkauf eines Aktienpaketes an - die von Sachsen geforderten 150 Millionen Euro werden nicht erreicht.

19.12. – Mehrere hundert Qimonda-Mitarbeiter demonstrieren von der Infineon-Zentrale in München. Auch das Land Bayern ist in die Gespräch eingebunden.

21.12. – Qimonda ist vorerst gerettet. Das Rettungspaket umfasst Darlehen über 325 Millionen Euro: 150 Millionen Euro vom Land Sachsen, 100 Millionen Euro von Portugal, 75 Millionen Euro von Infineon.

Siehe dazu auch:

(Jörg Schurig, dpa) / (jk)