Siemens-Chef Kleinfeld: Vom Wunderknaben zum Wackelkandidaten

Noch bis vor kurzem sah es so aus, als könnte den 49-jährigen passionierten Marathonläufer als Siemens-Chef nichts so schnell umhauen. Im Sog der Korruptionsaffäre bei Siemens gerät aber auch sein Stuhl zunehmend ins Wanken.

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  • dpa

Siemens-Chef Klaus Kleinfeld ist im Sog der Schmiergeldaffäre vom gefeierten Wunderknaben zum Wackelkandidaten geworden. Nicht nur die Financial Times Deutschland will erfahren haben, dass besonders Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann, der im Präsidium des Siemens-Aufsichtsrates sitzt, die Ablösung des Siemens-Vorstandschefs betreibt. Auch die Süddeutsche Zeitung meint, für Kleinfeld werde es eng: Ackermann wolle Kleinfeld keinen Freifahrtschein mehr für die Zukunft geben. Die für den morgigen Mittwoch geplante Vertragsverlängerung könnte platzen.

Die Gefahr erst spät erkannter Verstrickungen in die Korruptionsaffäre sei zu groß, hieß es laut der Financial Times Deutschland aus Konzerkreisen. Allerdings habe die Anwaltskanzlei Debevoise & Plimpton, die ihre Untersuchungen im Konzern bei Kleinfeld gestartet hatte, dafür keine Hinweise gefunden. Die Süddeutsche schreibt, nach Informationen aus Aufsichtsratskreisen sei es auch möglich, dass Kleinfelds Vertrag nur um ein, zwei oder drei Jahre verlängert wird – dann aber mit der Bedingung, dass er keine Abfindung bekomme, falls er wegen einer Verstrickung in eine Korruptionsaffäre seinen Posten vorzeitig verlassen müsste. Vorige Woche hatte bereits Aufsichtsratschef Heinrich von Pierer seinen Rückttritt angekündigt. Als Nachfolger ist der Stahlmanager Gerhard Cromme bestimmt worden, der seinen künftigen Posten vermutlich bis 2013 bekleiden will.

Noch bis vor kurzem sah es so aus, als könnte den 49- jährigen passionierten Marathonläufer Klaus Keinfeld als Siemens-Chef nichts so schnell umhauen. Unbeeindruckt von öffentlicher Kritik und Protesten der Mitarbeiter baute der gebürtige Bremer den Siemens-Konzern seit seinem Amtsantritt im Januar 2005 in kürzester Zeit vollständig um. Er verkaufte die verlustreiche Handysparte, gliederte das Festnetzgeschäft aus und setzte in vielen Bereichen den Rotstift an. Tausende Arbeitsplätze wurden gestrichen und Siemens glänzte mit Milliardengewinnen.

Begonnen hatte Kleinfeld seine Karriere nach dem Betriebswirtschafts-Studium 1982 am Institut der Stiftung für empirische Sozialforschung in Nürnberg. Nach einem kurzen Gastspiel bei Ciba-Geigy in der Schweiz wechselte er 1987 als Referent in den Vertriebsbereich von Siemens. Schnell stieg er auf und wurde unter anderem 1995 Leiter der Siemens-Unternehmensberatung. Zudem entwickelte er das strategische Unternehmensprogramm "top plus" zur Ertragsverbesserung. 1998 wechselte der Manager in den Bereich Medizintechnik, in dem er zwei Jahre später Bereichsvorstand wurde. Seinen Management-Stil hat Kleinfeld vor allem aus den USA mitgebracht, wo er vor seinem Wechsel an die Konzernspitze das US-Geschäft auf Vordermann gebracht hatte.

Bei den Mitarbeitern und in der Öffentlichkeit machte sich Kleinfeld mit seiner harten Hand allerdings nicht überall Freunde. Spätestens der Verkauf der Handy-Sparte an den taiwanesischen Konzern BenQ, der die deutsche Tochter mit ihren 3000 Arbeitsplätzen ein Jahr später fallen ließ, nahmen ihm viele übel. Dass gleichzeitig eine üppige Gehaltserhöhung für den Vorstand bekannt wurde, empfanden viele als Provokation. Unter dem öffentlichen Druck spendeten die Führungskräfte den Zuschlag für ein Jahr an einen BenQ-Mobile- Hilfsfonds.

Kleinfeld lebt mit seiner Frau und zwei Töchtern im noblen Münchner Stadtteil Grünwald. Der Manager ist Opernliebhaber und wurde sogar in den Aufsichtsrat der Metropolitan Opera in New York berufen.

Siehe zur Siemens-Affäre auch:

(dpa) / (jk)