Siemens: Führungswechsel bei SBS und weiterer Stellenabbau

Der Konzern löst die Logistik-Sparte L&A auf und gliedert 5000 Jobs aus. Adrian von Hammerstein legt die Leitung von SBS auf eigenen Wunsch nieder, Nachfolger wird Christoph Kollatz. Bei SBS sollen in Deutschland 2400 Stellen gestrichen werden.

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Von
  • Sven-Olaf Suhl

Im Rahmen ihres im April unter dem Namen "Fit4More" aufgelegten Sanierungsprogramms kündigt die Siemens AG harte Einschnitte und Veränderungen für die Konzernsparten SBS, Com und L&A sowie einen Wechsel an der Spitze von SBS an. Wie bereits erwartet, muss die Sparte Siemens Business Services (SBS) in den kommenden zwei Jahren 1,5 Milliarden Euro einsparen. Der Konzern teilte heute mit, dass es unvermeidlich sei, in den kommenden zwei Jahren 2400 Stellen bei SBS in Deutschland abzubauen. Hierzu liefen bereits Gespräche mit den Arbeitnehmervertretern.

Der bisherige SBS-Chef Adrian von Hammerstein legt sein Amt "auf eigenen Wunsch" nieder, ihm folgt Christoph Kollatz. Ob von Hammerstein weiterhin im Siemens-Konzern bleibt, ließ Siemens-Vorstandsvorsitzender Klaus Kleinfeld in einer Telefonkonferenz offen. Er lobte ausdrücklich die bisherigen Leistungen von Hammersteins bei SBS. Michael Schulz-Drost wird die kaufmännische Leitung von SBS übernehmen. Er war bislang kaufmännischer Leiter des Geschäftsgebiets Large Drives im Bereich Automation and Drives. Er folgt Bernd Regendantz, der in die Konzernzentrale wechselt. In der Telefonkonferenz bekräftigte Kleinfeld zwar, dass SBS "in der Fläche" präsent bleiben werde, zugleich kündigte er an, dass über einen längeren Zeitraum die Zahl der derzeit 60 SBS-Standorte in Deutschland auf etwa 20 gesenkt werde.

Die bisherige Konzernsparte L&A (Logistics and Assembly Services) wird zum 1. Oktober aufgelöst. Drei profitable Bereiche von L&A werden von anderen Konzernsparten übernommen: Die Geschäftsgebiete Postal Automation und Airport Logistics gehen in den Bereich Industrial Solutions and Services (I&S) über. Der Bereich Electronic Assembly Systems, der überwiegend Bestückungsmaschinen für die Elektronikindustrie herstellt, gehört künftig dem Bereich Automation and Drives (A&D) an.

Hingegen wird das defizitäre Geschäftsgebiet Distribution and Industry (DI), das Materialflusslösungen anbietet, in eine eigenständige Gesellschaft -- die Dematic GmbH -- eingebracht. Rund 5000 Mitarbeiter sollen zum 1. Januar in die neue Gesellschaft überführt werden. Der Vorsitzende des Bereichsvorstands, Johann Löttner, soll die strategische Neuausrichtung der Dematic GmbH von der Siemens-Zentrale aus steuern.

Die Nürnberger Zentrale der bisherigen L&A-Sparte soll aufgelöst und den rund 150 betroffenen Mitarbeitern andere Jobs bei Siemens angeboten werden. Danach befragt, ob eine Veräußerung der Dematic GmbH geplant sei, führte Siemens-Chef Kleinfeld aus, dass es sich beim DI-Geschäft um ein sehr lang laufendes Industriegeschäft und um eine regional stark fragmentierte Branche handele. Die Dematic werde bestehende Kundenbeziehungen weiter erfüllen, zugleich nannte Kleinfeld es als Möglichkeit für das Unternehmen, Kooperationen auf regionaler Ebene einzugehen.

Auf das Ergebnis der Sparte Com(munications) drückt nach dem Verkauf des Handygeschäfts vor allem der Bereich Enterprise Networks. Dem früher ertragsstarken Geschäft mit Telefonanlagen für Firmen und Behörden sind durch VoIP-basierte Kommunikationsanlagen neue Konkurrenten erwachsen. Siemens plant, Vertrieb und Service für Enterprise Networks neu auszurichten. Auch hier laufen nach Unternehmensangaben bereits Gespräche mit den Gewerkschaften. Spekulationen über das Volumen des unvermeidlich erscheinenden Stellenabbaus bei Com wollte Kleinfeld nicht kommentieren, um sich nicht an "Panikmache" zu beteiligen. Im Vordergrund stehe, die Ertragskraft von Com zu stärken und durch flexiblere Arbeitszeiten und Einsatzmöglichkeiten der Mitarbeiter den Stellenabbau gering zu halten.

Im defizitären Kommunikationsbereich Com könnte der Stellenabbau nach Einschätzung von Branchenkreisen noch größer ausfallen als bei SBS, meldet dpa. Einschnitte seien hier unter anderem wegen der schwachen Inlandskonjunktur und der Kaufzurückhaltung bei mittelständischen Kunden notwendig, hieß es bei Siemens nach einer Sitzung des Zentralvorstands. "Damit sind Personalanpassungen verbunden, zu denen das Unternehmen Gespräche mit Arbeitnehmervertretern und IG Metall führt." In Branchenkreisen war von 3000 bis über 4000 Arbeitsplätzen die Rede.

Kleinfeld betonte in der Telefonkonferenz, dass die Zahl der Siemens-Mitarbeiter in Deutschland mit derzeit rund 164.000 in den vergangenen Jahren weitgehend konstant geblieben sei. Allein 2004 habe man hier 7000 neue Mitarbeiter eingestellt -- das Auf und Ab einzelner Sparten sei eine natürliche Folge des Wettbewerbs. Angesprochen auf den Ausgang der gestrigen Bundestagswahl nannte es Kleinfeld "entscheidend", dass jede mögliche neue Bundesregierung den begonnenen Reformkurs fortsetze.

Zu den Krisen im Siemens-Konzern siehe auch: (ssu)