"Erlebbarer Mehrwert" beim Handy-TV trotz Standardstreit
In einem Jahr sollen rund drei Viertel der deutschen Bevölkerung mobile TV-Angebote nutzen können, kündigte Bayerns Medienwächter Wolf-Dieter Ring an. Die Industrie feilt derweil an Kombi-Chips, die sowohl DMB- als auch DVB-H-Empfang ermöglichen.
Als "Quantensprung in der Medienentwicklung, so wie nach dem Krieg die Einführung des Transistorradios", bezeichnete der Chef der bayerischen Staatskanzlei, Eberhard Sinner (CSU), Handy-TV-Angebote anlässlich des Startschusses für mobiles Fernsehen in München. In der Landeshauptstadt läuft eines von vier Teilvorhaben des grenzüberschreitenden Handy-TV-Projekts Mi Friends. Der Start von Mi Friends erfolgt parallel zur kommerziellen Markteinführung von DMB-basiertem Handy-TV in Deutschland, das unter anderem in Köln ausgestrahlt wird.
Zu den Programmanbietern im Münchner Projekt zählen Antenne Bayern, der Bayerische Rundfunk (BR), die Dienstleistungsgesellschaft der Bayerischen Lokalradioprogramme (BLR), das Deutsche Sport-Fernsehen (DSF), die ARD, Focus TV, Deutsche Welle, münchen.tv, Plazamedia TV & Film Produktion, Nova Radio und der britische Digitalradiosender talkSport. Die Angebote werden auf sechs TV-Kanälen und zwei Audiokanälen im Großraum München ausgestrahlt. Außerdem können die in München verbreiteten DAB-Hörfunkprogramme empfangen werden. In einem wissenschaftlichen Panel mit 200 Testpersonen, die DMB-fähige Handys des koreanischen Projektpartners LG Electronics bekommen, wird von Anfang Juni bis Ende Juli 2006 die Nutzung und Akzeptanz der während der WM via DMB verbreiteten Hörfunk- und Fernsehprogramme erforscht.
Als europäisches Projekt besteht Mi Friends aus einer Allianz von 75 Projektpartnern aus neun Ländern mit Schwerpunkt auf deutschen Unternehmen und Forschungseinrichtungen. In zwei bis drei Monaten soll das nächste Teilprojekt in Regensburg starten. Nach Einschätzung des Präsidenten der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM), Wolf-Dieter Ring, stellt die Auswahl von DMB als Übertragungsstandard für den Münchner "Showcase" keinerlei "Weichenstellung für das Kartellrecht" dar. Parallel zu den verschienen DMB-Angeboten haben die vier Mobilnetzbetreiber Angebote auf Basis von DVB-H gestartet und zugleich die durch den deutschen Föderalismus "zersplitterte Rundfunkregulierung" kritisiert. Medienwächter Ring äußerte hingegen die Erwartung, dass in einem Jahr etwa 75 Prozent der deutschen Bevölkerung DMB nutzen können, für Bayern sei im Laufe der nächsten Jahre eine Abdeckung von 90 Prozent geplant.
Die Fortentwicklung der Hardware könnte den Streit um Standards bald entschärfen. Die Hersteller haben bereits Handy-TV-Chips in der Pipeline, die sowohl den Empfang von DMB als auch DVB-H untertsützten, berichtete der Präsident des WorldDAB Forum, Quentin Howard. Während derzeit die Palette der für Deutschland geeigneten DMB-Handys mit dem Samsung SGH-P900 und dem zugleich UMTS-fähigen LG V9000 noch eintönig ist und sich die Zahl der Geräte in Nutzerhand noch eher im Hunderter- als im Tausenderbreich anzusiedeln ist, befinden sich Howard zufolge weltweit bereits 50 DMB-Empfängertypen in der Massenproduktion. In Korea, wo DMB im Regelbetrieb läuft, seien bereits 30 Prozent der Mobiltelefon-Modelle DMB-fähig, ergänzte Anthony Park von Samsung. Der Elektronikriesen kann zudem auf einen Exporterfolg in China eine halbe Million DMB-Handys verweisen.
Klaus Illgner-Fehns, Geschäftsführer des Instituts für Rundfunktechnik (IRT), dem Forschungsinstitut der öffentlich-rechtlichen Sender in Deutschland, der Schweiz und Österreich, gibt zu Bedenken, dass es in Deutschland derzeit den Inhalteanbietern noch schwerfalle sicherzustellen, dass alle Inhalte auf allen Geräten funktionieren. Für den Nutzer von Handy-TV sei es jedoch "egal, ob DMB oder DVB-H auf dem Gerät steht – es geht nur um den erlebbaren Mehrwert."
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(Rainald Menge) / (ssu)